Die Gruppe Sokolov zeigt Mozart Foto: Max Kovalenko

Spaß, Spektakel und Tiere – diesen zirzensischen Dreiklang bietet der Weltweihsnachscircus auf dem Cannstatter Wasen in 21. Auflage. Knapp 2000 Besucher waren beim aktuellen Gastspielauftakt begeistert.

Stuttgart - Eine Katastrophe! Dem Weltweihnachtscircus fehlt der Clown. Ein Zirkus ohne Clown, das ist wie Stuttgart ohne Fernsehturm. „Du mit dem komischen Gesicht“ – Conférencier Peter Goesmann hat einen gefunden, der die Rolle ausfüllen könnte: In der ersten Sitzreihe erfasst das Spotlight einen etwas abwesend dreinblickenden Mann. Er nimmt in der Mitte der Manege Platz, beginnt sich zu schminken, anzukleiden. Zu Hilfe kommen ihm ein paar Akteure aus dem dreistündigen Programm.

„Die Geburt eines Clowns“ nennt sich diese Ouvertüre zum 21. Stuttgarter Weltweihnachtscircus. Mit einer kurzen Episode das Programm zu intonieren ist neu beim Aufmarsch der Weltklasse-Artisten auf dem Cannstatter Wasen. Ein hübsche Idee, die sich Regisseur Patrick Rosseel und Clown David Larible da ausgedacht haben. Die kurze Szene zeugt von Gespür für Details, etwas, das sich durch das komplette Programm zieht. Es sind auch die Zwischentöne, die den Weltweihnachtscircus in 20 Jahren zu etwas Besonderem haben werden lassen. Vielleicht mit ein Grund, weshalb es das Publikum in all den Jahren stets mit aufmunterndem Beifall anstatt mit Buhrufen quittiert hat, wenn bei den Topartisten mal etwas nicht auf Anhieb geklappt hat.

Zirkus-Impresario Henk van der Meyden hat fürs Gastspiel ein Weltrekord-Programm angekündigt. Die Schleuderbrettakrobaten der Truppe Sokolov vom Russischen Staatszirkus Nikulin versetzen ihre Nummer in die Zeit des Komponisten Mozart. Perücken, Rüschen, Puder und mit Fächern hantierende Damen geben so der spektakulären, aber konventionellen Akrobatik die besondere Note.

Regisseur Rosseel versteht es, bei der Abfolge der Nummern das Tempo im richtigen Moment zu drosseln. Er lässt dem Publikum Zeit zum Durchatmen. Da kann es passieren, dass von kurzen Nummern wie jener der Hula-Hoop-Akrobatin Yelena Larkina wenig im Gedächtnis bleibt – den meisten Herren im Publikum vermutlich jene Passage, da ein Reifen über Yelenas Hinterteil schwingt. Zwei Jongleure in einer Show sind einer zu viel – könnte man beim Blick ins Programmheft argwöhnen. Doch Mario Berousek und Kris Kremo setzen die Akzente völlig unterschiedlich. Während Berousek die Kegel in einem atemberaubenden Tempo vor und hinter seinem Körper wirbelt, gibt Kremo den Gentlemen-Jongleur mit komödiantischem Touch. Mit knappen Gesten kokettiert er sympathisch damit, dass mit den roten Zylindern etwas schiefgehen kann.

Vor der Pause beherrschen die Tiere die Manege. Geraldine Knie und ihr Ehemann Maycol Errani vom Schweizer Nationalzirkus Knie begeistern seit Jahren mit ihren Freiheitsdressuren, in denen sie ihre Pferde mit unterschiedlichsten Tieren zusammenbringen. In diesem Jahr dirigieren sie weiße Kamele und Lamas mit Friesen und Arabern durch die Manege. Alessio Fochesato und seine Ehefrau Elisa erobern mit ihren tierischen Partnern den Luftraum unter der Zirkuskuppel. 50 Papageien hören auf ihr Kommando. Man könnte Zweifel hegen, ob alle wieder aus der Manege gefunden haben.

Die russischen Akrobaten Golden Power, die sich anscheinend nicht um physikalische Gesetze scheren, und die Trapezkünstler vom nordkoranischen Nationalzirkus stimmen auf den akrobatisch dominierten zweiten Teil der Show ein. Dabei versucht der junge Han Ho Song aus Pjöngjang als erster Trapezartist einen fünffachen Salto, drei Mal. Leider scheitert er drei Mal, aber nur knapp.

Nach der Pause wird es laut. Die Show der zehn Motorradartisten aus Kolumbien hat nach ihrem letzten Gastspiel im Weltweihnachtscircus vor drei Jahren noch an Attraktivität gewonnen. Ausgestattet mit neongelben Protektoren und mit Leuchtdioden versehenen Motorrädern lässt sich die Choreografie in der „Globe of Speed“ genannten Stahlkugel besser verfolgen.

Verrenkungen wie jene vom Verbiegungskünstler Barto kennt man eher von Schlangenfrauen. Irgendwann müssen die Arme doch mal abbrechen, dürfte sich mancher im Publikum denken. Eine poetische Luftakrobatiknummer bietet der einstige russische Spitzenturner Valeriy Sychev mit seiner Partnerin Malvina, während das chinesische Duo Sui Ning ganz auf Krafthandstände setzt. Zum Abschluss liefern ihre Landsleute der Gruppe Hoop mit Flickflacks durch einen über drei Meter hohen Reifen den letzten Zirkusweltrekord des Abends ab.

Bleibt noch der Clown: David Larible gibt dem Programm mit seinen nicht immer neuen, aber stets witzigen Nummern die nötige Struktur und gibt überdies eine Ode an seine Tochter Shirley zum besten, die unterdessen mit hohen Hacken unter der Kuppel turnt.