620 Dosen Rasierschaum: Ideale Voraussetzungen für eine schöne Sauerei Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Eigentlich wollten sich die Schüler der amerikanischen Schule in Vaihingen mit „Pie“, einem typisch amerikanischen Kuchen mit Obstfüllung, bewerfen. Aber die Firma Guiness World Records verbietet Essensverschwendung. Also mussten stattdessen 620 Dosen Rasierschaum als Munition herhalten.

Stuttgart - Minuten, bevor die große Schlacht beginnt, wird es still auf dem großen Parkplatz der Patch Barracks in Vaihingen: „Erst singen wir die Nationalhymne! Und Finger weg vom Kuchen!“, bellt ein Lehrer durch sein Megafon. Nicht alle halten sich daran.

„And the rockets’ red glare, the bombs bursting in air“ („Und das rote Leuchten der Raketen, die Bomben zerbarsten in der Luft“) – Zeile fünf der Hymne klingt so sehr zum Kampf einladend, dass sich einige einfach nicht mehr beherrschen können: Die ersten Teller voll Rasierschaum klatschen in die Gesichter der Klassenkameraden. Wenige Sekunden später gibt es kein Halten mehr: 1002 registrierte, in blaue Müllsäcke gekleidete Rasierschaumkämpfer fallen schreiend und mit ausgelassener Freude an der schneeweißen Sauerei übereinander her.

Blaue Gestalten mit Schaum im Gesicht, den Haaren, an den Händen, rennen wuselig wie eine Horde wild gewordener Schlümpfe durch die Gegend. Die Absperrung des Schlachtfelds, provisorisch aus einigen Pilonen und gelbem Plastikband gebastelt, erweist sich schon nach Sekunden als viel zu mickrig, um den aufgewühlten Massen etwas entgegen setzen zu können. Als den Jugendlichen so langsam die Puste – und vor allem der Schaum ausgeht – formt sich ein Junge einen Irokesen-Look aus seinen langen, eingeschäumten Haaren.

Nach etwa fünfzehn Minuten ebbt die Kampfeslust langsam ab. „Ihr habt den Weltrekord gebrochen“, dröhnt es durch das Megafon. Jubel bricht aus, aber der Lehrer ist unbarmherzig: „Bitte geht jetzt zurück in die Schule.“ Zurück bleibt Mathelehrer Daniel Coapstick, der Organisator des ganzen Spektakels, mit der schaumgetränkten Erkenntnis: „So schnell möchte ich das kein zweites Mal machen.“

Vier Monate lang habe der Matheclub „Mu Alpha Theta“ der Patch High School den Rekordversuch geplant, so Coapstick, der den Club betreut. Die Idee sei der Gruppe durch einen Hinweis auf Facebook gekommen: „Da haben wir gemerkt, dass in diesem März ein ganz besonderer Tag ist.“ Die Amerikaner schreiben den Monat vor dem Tag. Am 14. März 2015 ergibt sich daraus: 31415 – die ersten Ziffern der Kreiszahl Pi. Für die Mathe-Freaks war klar: Am 14. März muss etwas ganz Besonderes passieren – und es sollte mit „Pie“ zu tun haben.

Der typisch amerikanische Kuchen mit Obstfüllung wird genau so ausgesprochen wie die Kreiszahl Pi. Auf der Suche nach der zündenden Idee sind Coapstick und seine Schüler im Internet auf den Weltrekord im „Largest Shaving Cream Pie Fight“, dem größten Rasierschaumtortenkampf, gestoßen. Bisher lag er bei 815 Teilnehmern. „Da dachten wir: Das könnte in unserer Reichweite liegen“, sagt Coapstick. Weil der 14. März ein Samstag ist, hatten sie Angst, dass nicht genug Leute kommen würden. Deshalb wurde der Rekordversuch zwei Tage nach vorne verschoben.

Und tatsächlich: Die Werbung der vergangenen Tage hat Erfolg gezeigt. „Wir haben Flyer verteilt und eine E-Mail an die Soldaten geschickt“, sagt der Schüler Brian Mogavero, der dieses Jahr den Mathe-Club leitet. Auch zwei andere Schulen waren eingeladen: Die Karl-Trunzer-Schule aus Buchen und das Lise-Meitner-Gymnasium aus Böblingen. Der Lebensmittelladen der Patch Barracks spendete 320 Dosen Rasierschaum, Eltern weitere 300. Ob es wirklich für einen Weltrekord reicht, ist aber – trotz jubelnder Schüler – noch unklar.

Erst muss die Firma Guinness World Records das Beweismaterial prüfen: Die Unterschriften der 1002 Teilnehmer, Filmaufnahmen und die Aussagen zweier unabhängiger Zeugen. Bevor Mathelehrer Daniel Coapstick all diese Beweise an die Guinness-Leute schicken kann, muss er sich aber erst einmal den Rasierschaum vom Gesicht waschen.