Sie haben gut lachen: Ellen Kuhn und Joachim Materna agieren zurzeit von Barbados aus. Foto: privat

Ellen Kuhn und Joachim Materna organisieren individuelle Weltreisen. Kunden müssen wegen der Pandemie vertröstet werden. Für sich selbst hat das Paar einen Weg gefunden, das Fernweh zu lindern.

Backnang - Ob türkisblaues Meer und weiße Strände, unendliche Weiten, massive Gebirge oder pulsierende Metropolen: von einer Reise um die Welt träumen viele Menschen. Ellen Kuhn und Joachim Materna aus Backnang haben sich diesen Traum vor etwa acht Jahren erfüllt. Ihre Reise war für die beiden so prägend, dass sie beschlossen, ihr Leben komplett umzukrempeln und auch anderen Menschen ein solch unvergessliches Erlebnis zu ermöglichen.

Sie kündigte ihren Job als Eventmanagerin, er ließ seine Karriere als Kardiologe und Nephrologe hinter sich. 2015 gründeten sie eine Online-Reiseagentur für individuelle Weltreisen. Seither arbeiten die beiden von den schönsten Plätzen der Welt aus, sind immer unterwegs. Um die Reiseplanung für ihre Kunden kümmern sie sich online und telefonisch. „Das hat auch einige Jahre gut funktioniert, wir hatten viele Anfragen und sind extrem gewachsen“, erzählt Ellen Kuhn. Doch die Coronapandemie habe sie, wie viele andere Menschen auf der Welt, dann eiskalt erwischt. Seit März des vorigen Jahres seien die Buchungen ihrer Weltreisen „von 100 auf null“ zurückgegangen. „Wir hatten von heute auf morgen keine Einkünfte mehr und dazu viele Außenstände, weil wir Touren, Unterkünfte und andere Leistungen vor Ort in den jeweiligen Ländern einkaufen“, berichtet Ellen Kuhn. „Das war ein echtes Katastrophenszenario.“

Während der Krise geht es an die Rücklagen

Zu Beginn des Shutdowns in Deutschland vor gut einem Jahr war das Paar auf Bali. Am 15. März, erinnert sich Joachim Materna, hätten sie die Insel aufgrund der Ausbreitung des Virus und der Grenzschließungen verlassen müssen. Sie reisten weiter nach Singapur. „Und dann ging es eigentlich nur noch um Reiserückabwicklungen für unsere Kunden“, sagt Materna. „Wir mussten die Leute natürlich zurückholen, haben Tag und Nacht telefoniert und uns überlegt, wie wir für unsere Kunden und uns möglichst viel Geld retten können. Aber wenn zum Beispiel eine Fluglinie bankrottgeht, bekommt man sein Geld eben nicht unbedingt wieder.“

Zum Glück, sagt Ellen Kuhn, hätten sie genug Rücklagen, um die Krise zu überstehen. Das sei natürlich nicht bei jedem der Fall. Eine Fremdenführerin in Tokio etwa, erzählt sie, habe das Geld, das ihr vorab für eine Tour ausbezahlt worden sei, zurückschicken wollen. „Aber dann hätte sie ihre Miete nicht mehr bezahlen können. In Deutschland bekommt man zumindest Hilfe, aber anderswo gehen Existenzen den Bach runter.“

Anfragen kommen auch während der Pandemie

Wann das Geschäft für das Backnanger Paar und viele andere Reiseanbieter wieder anläuft, hängt in erster Linie davon ab, wie sich die Coronapandemie weiterentwickelt. Derzeit, erzählt Joachim Materna, seien er und seine Partnerin vor allem mit Weiterbildungen und dem Beantworten von Anfragen beschäftigt.

„Erstaunlicherweise kommen trotz der Pandemie zwei bis vier Anfragen pro Woche“, sagt Materna. „Manche wollen aber auch einfach wissen, wo sie zurzeit überhaupt hinkönnen.“ Immer häufiger gehe es aber auch um Aufklärung, beispielsweise zur medizinischen Versorgung vor Ort. Das Reisefieber sei zwar bei vielen Menschen durchaus spürbar, sagt Ellen Kuhn. „Aber wenn ich jetzt eine 20 000-Euro-Reise für zwei Personen organisieren würde, hätte ich Bauchschmerzen.“ Schließlich könne man derzeit nicht sagen, ob die Grenzen von Ländern, die ein Kunde als Reiseziel gebucht hat, nicht plötzlich wieder geschlossen und Flüge storniert würden. Und Kurzreisen, die spontaner zu planen wären, bieten sie in ihrem Online-Reisebüro nicht an.

Spätestens 2022 soll es wieder klappen

Ellen Kuhn und Joachim Materna hoffen, dass sie im Sommer oder Herbst dieses Jahres wieder anfangen können, unvergessliche Traumtouren für Kunden zu organisieren – sofern es dann die Pandemielage zulässt. Allerdings, erklären sie, brauche eine individuell geplante Welt- oder Länderreise eine gewisse Vorlaufzeit. Je nach Aufwand liege die zwischen einem Monat und bis zu einem Jahr. Insofern hoffen die beiden, dass sie ihre Kunden 2022 wieder auf Reisen schicken können. Das Paar selbst hat die letzten fünf Monate in Salzburg verbracht. „So lange waren wir seit acht Jahren nicht am selben Ort“, sagt Joachim Materna lachend. Aber das Fernweh hat ihn und seine Partnerin auch in der Coronapandemie nicht losgelassen. Deshalb sind sie Anfang April ins Flugzeug gestiegen – und in die Karibik, nach Barbados, gereist. Dort haben sie ein „Häuschen mit Garten“ angemietet. Arbeiten und Reisen organisieren kann das Paar schließlich von überall auf der Welt. „Hauptsache, es gibt eine stabile Internetverbindung“, erklärt Ellen Kuhn. „Ansonsten leben wir, dort wo wir sind, wie die Einheimischen. Wir lieben es einfach, in der Welt unterwegs zu sein und andere Kulturen kennenzulernen.“

Ihr Aufenthalt in der Karibik sei „erst mal für drei Monate“ geplant, so Kuhn. Wie es dann für das reisefreudige Paar weitergeht, wird sich zeigen.