Benjamin Pavard vom VfB Stuttgart bewegt sich im Spannungsfeld zwischen dem WM-Triumph mit Frankreich, der schwierigen Gegenwart beim VfB Stuttgart und einer ungewissen Zukunft. Jetzt stand er erstmals in der deutschen Öffentlichkeit zu all dem Rede und Antwort.
Stuttgart - Eine dreiviertel Stunde parliert Benjamin Pavard im Clubzentrum des VfB Stuttgart über sein bewegtes Jahr 2018. Auf Französisch, denn Deutsch versteht der 22-Jährige aus dem Norden Frankreichs bislang nur. Das Reden überlässt er Übersetzer Peter Reichert. Pavard blickt zurück und voraus. Über...
...den WM-Triumph mit Frankreich
Vielleicht ergeht es Benjamin Pavard ja eines Tages ja wie Thomas Müller, Manuel Neuer oder Sami Khedira. Die deutschen Weltmeister von 2014 haben ihren Triumph nach eigener Auskunft auch erst Jahre später richtig realisiert. Noch hat der 22-Jährige nämlich nicht ganz kapiert, was mit ihm in diesem fabelhaften Sommer passiert ist. Nationalspieler geworden. An der WM teilgenommen. Ein Traumtor geschossen. Weltmeister geworden. Mit gerade einmal 22 Jahren. Kaum zu glauben eigentlich.
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„C’est vrai, das ist wahr“, antwortet der Lockenkopf, als er mit Hilfe von VfB-Übersetzer Peter Reichert erstmals der deutschen Öffentlichkeit von den Erlebnissen seines traumhaften Sommers berichtet. „Die Geschichte ist eigentlich zu schön, um wahr zu sein. Aber sie ist auch das Ergebnis harter Arbeit.“
Harte Arbeit, darauf kommt der Abwehrspieler immer wieder zurück. Dass nichts im Leben eines Profis Zufall sei. „Ich habe mein ganzes Leben diesen Traum gelebt, jetzt ist er wahr geworden. Auch mit Hilfe meiner Eltern, die mir diese Karriere erst ermöglicht haben.“
Das Jahr 2018 hat sein Leben komplett verändert – so viel steht fest. „In Frankreich ist es für mich mittlerweile schwer, unerkannt mit der Metro zu fahren“, hat der Weltmeister schon die Begleiterscheinungen des Erfolgsgeschäfts kennengelernt. Wozu auch gehört, dass er in der heimischen Presse für seine jüngsten Auftritte im Trikot der Equipe Tricolore Kritik einstecken musste. Was den Abwehrspieler nicht umwirft. „Die WM-Erfahrung kann mir keiner mehr nehmen.“ Auch wenn es vermutlich noch Jahre braucht, sie richtig zu begreifen.
...den Kampf gegen den Abstieg
Vier Monate später ist die Realität eine andere. Mit dem VfB Stuttgart ist Kampf gegen den Abstieg an der Tagesordnung, der sich am Sonntag (18 Uhr) bei Borussia Mönchengladbach fortsetzt. Auf die Frage nach den Gründen für den miesen Saisonstart greift Benjamin Pavard tief in die Floskelkiste: „Das zweite Jahr nach dem Aufstieg ist immer das schwerste.“
Ansonsten hat der Innenverteidiger, der auch in dieser Bundesligasaison bislang in jedem Spiel über die vollen 90 Minuten auf dem Platz stand, „viele unglückliche Spiele“ ausgemacht. „Statt in Führung sind wir oft schnell in Rückstand geraten.“ Pavard sieht in mangelndem Spielglück einen entscheidenden Faktor. Auf keinen Fall möchte der Weltmeister, dessen Marktwert mittlerweile auf 40 Millionen Euro taxiert wird, den Stab über seine Kollegen brechen. „Die Mannschaft ist viel besser als Tabellenplatz 16.“ Eine Platzierung zwischen neun und 13, wie sie Präsident Wolfgang Dietrich nach wie vor für möglich hält, ist auch für den Innenverteidiger kein Hirngespinst. Zumal sich mit ihm, Timo Baumgartl und Marc Oliver Kempf endlich ein halbwegs stabiles Abwehr-Trio herausgebildet hat.
Dass auch seine Leistungen vor allem zu Beginn der Saison nicht mehr ganz so formidable waren, daraus macht Pavard keinen Hehl. „Nach der WM war ich müde, ich habe die ganze Situation ein wenig unterschätzt.“ Die vorzeitige Beendigung seines Sommerurlaubs sei aber kein Fehler gewesen. Der Junge hält es eben nicht lange ohne Ball aus.
Bis Weihnachten will Pavard noch so viele Punkte wie möglich sammeln, im kommenden Jahr noch einmal voll angreifen. Auf keinen Fall möchte er auf einem Abstiegsplatz überwintern. Sonst wäre sein Weihnachtsurlaub versaut – und das tolle Jahr 2018 bekäme am Ende noch eine böse Delle.
...seinen nächsten Karriereschritt
Weil Benjamin Pavard nicht nur gut kicken kann, sondern auch ein schlaues Bürschchen ist, umschifft er die Klippen in der Presserunde gekonnt. Der Wechsel zu einem Topclub? Sein angeblicher Vorvertrag bei den Bayern? Der weitere Karriereplan?
All die Fragen zu seiner Zukunft lächelt der Franzose nonchalant weg. Pavards Standardantwort: „Ich spiele für den VfB. Was im Sommer ist, weiß ich nicht.“
Das ist zumindest leicht geflunkert, schließlich ist es kein Geheimnis mehr, dass der große Favorit im Rennen um das Abwehrjuwel den Titel Deutscher Rekordmeister trägt und aus München kommt. Geschmeichelt fühle er sich von den Avancen der Bayern, die Präsident Uli Hoeneß beim „Treffpunkt Foyer“ der „Stuttgarter Nachrichten“ erneut bekräftigte. Zur Erinnerung: Nach dieser Spielzeit ermöglicht eine Ausstiegsklausel den vorzeitigen Abgang des Weltmeisters. 35 Millionen Euro Ablöse wären dann fällig. Ein angebliches Treffen mit FC-Bayern-Justiziar Michael Gerlinger während der WM verneinte Pavard. Allein deshalb, weil sie in ihrem Quartier derart abgeschottet gewesen seien, dass selbst seine Eltern keinen Zutritt bekamen.
Noch ist nichts fix. Mit seinem Faible für die deutsche Bundesliga hält Pavard aber nicht hinterm Berg. Vor allem die Fans und die Atmosphäre in den Stadien haben es ihm angetan. Offenbar so sehr, dass am Ende ein Journalist von Pavard noch wissen will, ob er sich vielleicht sogar eine Zukunft in Stuttgart vorstellen könne. „Ich denke nicht über 2019 hinaus“, sagt Pavard und lächelt sanft.