Fertigung von Reinigungsmaschinen bei Kärcher: Seit 1964 gibt es einen Betriebsrat, die IG Metall hat darin keinen Einfluss. Das will die Arbeiterorganisation nun ändern. Foto: dapd

Die vorweihnachtliche Ruhe bei Kärcher in Winnenden hat ein Ende. Die IG Metall will den Betriebsrat juristisch entmachten.

Stuttgart/Winnenden - Beim Winnender Unternehmen Kärcher herrscht Unruhe in der Belegschaft. Die IG Metall sieht ihren Vertretungsanspruch verletzt und erwägt, den bisher tätigen Betriebsrat gerichtlich anfechten zu lassen – ein Kuriosum. - Für gewöhnlich ziehen Gewerkschaften und Mitarbeiter eines Unternehmens an einem Strang. Manchmal läuft es aber auch andersherum.

Einer dieser kuriosen Fälle spielt sich gerade im Maschinenbaugürtel um Stuttgart ab, im von Weltmarktführern reich gesegneten Rems-Murr-Kreis. Dort stemmt sich derzeit die Belegschaftsvertretung des Winnender Reinigungsmaschinenspezialisten Kärcher – immerhin ein Milliardenkonzern, der für sich den Status eines Weltmarktführers beansprucht – gegen die Gewerkschaft IG Metall. Diese versucht unter einem neuen Bezirkschef mehr Einfluss auf den bislang IG-Metall-freien Kärcher-Betriebsrat zu gewinnen.

„Wir wollen als Gewerkschaft lediglich unseren rechtlichen Vertretungsanspruch wahrnehmen können“, sagte der erste Bevollmächtigte der IG Metall in Waiblingen, Matthias Fuchs, unserer Zeitung. Bei Kärcher gebe es „eine ganze Reihe“ von IG-Metall-Mitgliedern. Genaue Zahlen will er nicht nennen. Für diese und für den Rest der Belegschaft wolle man die Interessen wahrnehmen.

Entscheidung soll noch vor Weihnachten fallen

Das Problem bei der Sache: Die bisherige Mitarbeitervertretung ist bei ihrer Arbeit nicht wirklich scharf auf Schützenhilfe vonseiten klassischer Mitarbeiterorganisationen. Grundsätzlich habe er nichts gegen Gewerkschaften und deren Arbeit, sagt Hans-Jörg Ziegler, Gesamtbetriebsratsvorsitzender bei dem Reinigungsspezialisten mit Stammsitz in Winnenden. Die IG Metall versuche aber seit einiger Zeit offensiv, einen Fuß in den Betrieb zu bekommen. Man wolle offenbar „als dritte Kraft auftreten“. „Wir brauchen das nicht“, sagt Ziegler. Bei Kärcher laufe alles rund.

Pünktlich zur kuscheligen Vorweihnachtszeit droht das Thema nun zu eskalieren. Nachdem eine Einigung unter den Streithähnen offenbar nicht in Sicht ist, verschärft besonders die IG Metall die Gangart.

Nach Informationen unserer Zeitung will die Gewerkschaft die Mitarbeitervertretung von Kärcher durch gerichtliche Schritte entmachten. Wie IG-Metall-Chef Fuchs sagte, erwäge man vor dem zuständigen Arbeitsgericht „die Auflösung des Kärcher-Betriebsrats zu beantragen“. Eine endgültige Entscheidung solle „in den kommenden zwei Wochen“ fallen, also noch vor Weihnachten. Grund seien „grobe Pflichtverletzungen“ des Gremiums.

„Im Endeffekt fand die Veranstaltung statt, ich als Vertreter der IG Metall wurde aber ausgeladen“

Laut Betriebsverfassungsgesetz sei Kärcher verpflichtet, viermal im Jahr Betriebsversammlungen abzuhalten, sagte Fuchs. Tatsächlich gebe es bei Kärcher seit Jahren keine „ordentliche Betriebsversammlung mehr“. Die Betriebsräte hätten nur am Rande von Firmenfeierlichkeiten, etwa der Jahresendfeier, Zeit, ihre Punkte vorzubringen. Ein Zustand, der nach Fuchs’ Meinung nicht haltbar ist, zumal die Belegschaft des nicht tarifgebundenen Unternehmens über die anstehenden Themen nicht informiert werde. Ein Antrag der IG Metall auf Einberufung einer ordentlichen Versammlung Ende November sei zunächst bewilligt, dann aber wieder abgesagt worden. „Im Endeffekt fand die Veranstaltung statt, ich als Vertreter der IG Metall wurde aber ausgeladen“, sagte Fuchs.

Hans-Jörg Ziegler wies die Anschuldigungen zurück. Kärcher halte sehr wohl jährliche Belegschaftsversammlungen ab. Im Gesamtkonzern gebe es insgesamt 56 gewählte Betriebsräte, die die Interessen der Arbeitnehmer erfolgreich vertreten würden.

„Wir wollen eine eigenständige Mitarbeitervertretung bleiben“, sagte Ziegler. Die IG Metall brauche man nicht. In anonymen Mitarbeiterbefragungen schneide das Gremium immer sehr gut ab und habe in den vergangenen Jahre viel erreicht. Seit 2009 seien allein in Deutschland 600 neue Arbeitsplätze geschaffen worden, 180 Leiharbeiter hätten feste Verträge bekommen, und seit 2006 habe man alle Auszubildenden übernommen. Kurzarbeit in der Finanz- und Wirtschaftskrise habe es nicht gegeben. Mit zwei Prozent sei die Fluktuation in der Belegschaft sehr gering, sagt Ziegler, der seit 43 Jahren im Unternehmen ist.

Das in Familienbesitz befindliche Unternehmen wird in diesem Jahr mit rund 9100 Mitarbeitern einen Umsatz von fast zwei Milliarden Euro einfahren. Fast 85 Prozent seiner Umsätze macht man im Ausland.