Die Weißenhofsiedlung - Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie. Foto: dane

Stuttgart wagt einen neuen Anlauf und bewirbt sich mit der Weißenhofsiedlung bei Unesco.

Stuttgart - Die Weißenhofsiedlung ist baugeschichtlich etwas ganz Besonderes. Zu einem Ehrentitel wie Weltkulturerbe hat es für diese Architektur der Moderne aber nie gereicht. Jetzt denkt man über einen neuen Anlauf nach.

Wie könnte die Weißenhofsiedlung im Stuttgarter Norden endlich zu dem ersehnten architekturgeschichtlichen Qualitätssiegel kommen? Über die möglichen Strategien hirnen jetzt wieder Denkmalexperten, Mitarbeiter der Stadtverwaltung und Vertreter der Gemeinderatsfraktionen.

Die Lust, sich ein drittes Mal in einem Gruppenantrag von Deutschland und fünf anderen Staaten mit Gebäuden des Architekten Le Corbusier um den Titel des Weltkulturerbes zu bemühen, ist allerdings gering. Die Gefahr, von den Entscheidungsträgern bei der Unesco erneut eine Abfuhr zu bekommen, ist den Beteiligten zu groß.

Bei der Weltkulturorganisation haben bisher immer jene die Oberhand behalten, die von einem Weltkulturerbe ein monumentales Erscheinungsbild verlangen und mit Werken der Moderne, noch dazu im Ensemble, wenig im Sinn haben. Außerdem gilt das Bewerbungsverfahren auch noch als sehr kostspielig.

„Die Sache ist mühsam aber noch nicht ganz abgeschrieben“

Deshalb war jetzt auch nicht von einer förmlichen Bewerbung die Rede, als das Spezialgremium im Rathaus tagte. Der zuständige Landeskonservator soll bei einem Fachtreffen der Unesco-Verantwortlichen in Moskau nun erst einmal die Stimmung sondieren. „Die Sache ist mühsam, aber noch nicht ganz abgeschrieben“, sagt Städtebaubürgermeister Matthias Hahn.

In Deutschland gibt es ein großes Gedränge von Kandidaten

Auch ein zweiter Ansatz gilt als wenig aussichtsreich: ein eigenständiger nationaler Antrag, ein knappes Dutzend Gebäude der Weißenhofsiedlung von der Unesco zu beispielhaften „Häusern der Moderne“ küren zu lassen. Dabei ginge es nicht darum, Le-Corbusier-Bauten in Deutschland, Frankreich, Argentinien, Japan, Belgien und der Schweiz zum Weltkulturerbe zu erklären, sondern die Stuttgarter Siedlung allein in den Fokus zu nehmen. Das würde also nicht nur das Doppelhaus von Le Corbusier auf dem Weißenhof mit einem grandiosen Museum betreffen, sondern auch Häuser nach Entwürfen von anderen Architekten wie etwa Mies van der Rohe.

Das Problem ist nur: In Deutschland gibt es ein großes Gedränge von Kandidaten. Jedes Bundesland darf zwei Bewerber benennen. Hier im Land gelten die Stadt Baden-Baden mit ihren historischen Kur- und Modebädern sowie die Schwäbische Alb mit ihren Tropfsteinhöhlen schon als gesetzte Bewerber. Jetzt soll per Schreiben an die Landesregierung geklärt werden, ob die Liste noch offen ist. Wenn nicht, dürfte es gut 15 Jahre dauern, bis Stuttgarts Supersiedlung wieder in den Wettbewerb starten könnte.

Der dritte Weg ist die Bewerbung um das europäische Kulturerbe-Siegel

Schon deshalb spricht in den Augen des städtischen Gremiums viel für den dritten Weg: die Bewerbung um das europäische Kulturerbe-Siegel. Mit der Weißenhofsiedlung, die einst vom Werkbund initiiert wurde, könnte sich Stuttgart dann zusammen mit den Städten Brünn, Prag, Zürich, Wien und Breslau und deren Werkbundsiedlungen bewerben.

Die Chancen für einen Erfolg werden hier höher eingeschätzt. Bürgermeister Hahn erscheint dieses Vorgehen auch inhaltlich sinnvoller. Mit dieser Bewerbung könne man beleuchten, wie im Lauf einiger Jahre europaweit Werkbundsiedlungen entstanden. Netter Nebeneffekt: In dem Bündnis wäre mit Brünn auch noch eine der neun Stuttgarter Partnerstädte mit von der Partie. „Aber noch wissen wir nicht, ob diese Städte die Bewerbung wollen“, warnt Hahn, „das muss erst noch geklärt werden.“ Die Sondierung will man angehen, wenn die Chancen in den anderen Bewerbungsverfahren Ende Juli ausgelotet sind.

Ganz ohne Wehmut würde man sich aus dem Wettbewerb um den Titel des Weltkulturerbes nicht abmelden. Denn mit diesem Prädikat, weiß natürlich auch Hahn, könnte man viel breitere Bevölkerungskreise für einen Besuch der Vorzeigesiedlung in Stuttgart gewinnen. Bisher ist die Siedlung vor allem bei echten Architekturkennern in nah und fern bekannt.