Eine somalische Frau, die in einem Flüchtlingslager untergebracht ist, trägt ihr kleines Kind auf dem Rücken. Foto:  

Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit sei das Ende des Hungers absehbar, sagt Till Wahnbaeck, der Vorstandsvorsitzende der Welthungerhilfe. Trotz der Krisenmüdigkeit der Deutschen halte die Spendenbereitschaft an.

Stuttgart - Die Vereinten Nationen haben im März davor gewarnt, dass die größte Katastrophe für Menschen seit Ende des Zweiten Weltkriegs bevorsteht. Mindestens 20 Millionen Menschen seien von einer Hungersnot bedroht, Hunderttausende könnten in diesem Jahr sterben.

Herr Wahnbaeck, ist die Katastrophe mit Ansage eingetreten?
Die Lage ist in einigen afrikanischen Ländern und im Jemen dramatisch. Es muss sich schnell etwas ändern. Ich war vor Kurzem im Norden Somalias. Die Bauern dort haben seit zwei Jahren keinen Tropfen Wasser mehr gesehen. Das Vieh ist verendet, viele Familien haben ihre Herden verloren. Als Nächstes werden die Menschen sterben. Auch im Südsudan, wo ein Bürgerkrieg tobt, ist der Hunger groß. Wir verteilen dort an Hunderttausende von Menschen in Flüchtlingslagern Lebensmittel.
Wie kann es angesichts des globalen Agrarmarkts sein, dass ein Kilo Mehl in Deutschland 32 Cent kostet und in Kenia das Doppelte?
Die lang anhaltenden Dürren lassen die Preise explodieren. Da gibt es zu wenig Angebot, die Ernten sind schlecht. Reis, Mais und Bohnen werden teuerer, weil es nur wenig davon gibt. Aber das heißt noch lange nicht, dass wir auf der Welt zu wenig Nahrungsmittel haben. Das Problem ist, dass die vorhandenen Lebensmittel nicht richtig verteilt werden. Helfen würde eine gerechtere Handelspolitik.
Die heutige Landwirtschaft könnte problemlos 12 Milliarden Menschen ernähren – also weit mehr als die Weltbevölkerung. Sollten die Industrienationen Afrika miternähren?
Nein, Afrika könnte sich außer in Notsituationen selbst mit regionalen Erzeugnissen ernähren, kontinuierliche Agrarexporte von uns sind nicht notwendig. Im Gegenteil. Nehmen wir das Beispiel Milchpulver. Afrika ist einer der wichtigsten Absatzmärkte für Milchpulver aus der Europäischen Union. Es ist billiger als die in Afrika produzierte Frischmilch. Deshalb lohnt sich für die afrikanischen Bauern die lokale Milchproduktion schon lange nicht mehr. Sie werden arbeitslos.