EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis will die WTO reformieren, glaubt an einen Neuanfang mit den USA und bekennt sich zu Handelsabkommen.
Brüssel - Die Trump-Regierung und die damit verbundenen Handelskonflikte haben den Welthandel in den vergangenen Jahren massiv erschüttert. Zudem ist der Streitbeilegungsmechanismus durch die Welthandelsorganisation (WTO) weitgehend blockiert worden. Vor diesem Hintergrund eines eingetrübten Umfeldes für den Welthandel hat die EU-Kommission ihre Handelsstrategie überarbeitet. EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis stellte die Eckpfeiler der neuen Strategie in Brüssel vor: „Wir benötigen den offenen, regelbasierten Handel, um in der Phase nach der Pandemie Wachstum und Beschäftigung wieder anzukurbeln.“
Dombrovskis stellte klar: 85 Prozent des globalen Wirtschaftswachstums finde künftig außerhalb der EU statt. Die Staatengemeinschaft, die derzeit einen Handelsüberschuss produziert, müsse den Außenhandel weiter forcieren. Ein Schlüssel seien dafür die Handelsabkommen.
Verhandlungen mit Neuseeland und Australien
Es müsse darum gehen, die Möglichkeiten zum Handel im Rahmen der bestehenden Abkommen intensiver zu nutzen und weitere Abkommen abzuschließen. Derzeit verhandelt die EU-Kommission stellvertretend für alle 27 Mitgliedstaaten mit Neuseeland und Australien. Das neue Mercosur-Abkommen mit lateinamerikanischen Staaten ist ausverhandelt, es gibt jedoch bei den Mitgliedstaaten Vorbehalte, es in Kraft zu setzen.
Für ihre neue Handelsstrategie hat die EU-Kommission die Losung der „offenen strategischen Autonomie“ ausgegeben. An erster Stelle stehe, so Dombrovskis, das Bekenntnis zu offenen Märkten. Stärker als bisher will die Kommission aber auch EU-Prinzipien und -Interessen robust gegenüber anderen Handelspartnern vertreten und verteidigen. Dazu gehöre etwa, dass die Brüsseler Handelspolitik die Prioritäten der Von-der-Leyen-Kommission wie den ökologischen Umbau der EU-Volkswirtschaft (Green Deal) sowie die Digitalisierung beachte. Oberstes Ziel sei, dass für Unternehmen aus der EU auf anderen Märkten die gleichen Spielregeln gelten wie für die heimischen Unternehmen. Bei unfairem Wettbewerb werde sich die EU-Kommission künftig auch stärker dagegen zur Wehr setzen.
Warten auf Biden-Regierung
Dombrovskis setzt darauf, dass sich die Handelsstreitigkeiten mit den USA unter Präsident Joe Biden beilegen lassen. „Die EU hat wiederholt deutlich gemacht, dass wir ein neues Kapitel aufschlagen wollen.“ Die transatlantischen Beziehungen stellten die größte und wirtschaftlich bedeutendste Partnerschaft in der Welt dar. Sie sei tief verankert in gemeinsamen Interessen und Werten. Bislang wartet die EU-Kommission darauf, dass die Biden-Regierung etwa im Streit um Zölle auf Flugzeuge und Vergeltungszölle auf Landwirtschaftsprodukte Signale der Verständigung setzt.
Demgegenüber nennt die Kommission die Handelsbeziehungen zu China lediglich „wichtig und herausfordernd“. Brüssel hatte sich kürzlich mit Peking auf ein Investitionsschutzabkommen geeinigt. Doch noch immer gewährt Peking EU-Unternehmen nicht den gleichen Zugang zum Markt wie einheimischen Firmen.
Die Kommission will die multilaterale Handelsordnung mit einer starken Welthandelsorganisation (WTO) wiederbeleben. Dafür müsse die WTO reformiert werden. Die USA hatten unter Trump über die Nichtbesetzung von Richterstellen dafür gesorgt, dass der Streitbeilegungsmechanismus der WTO nicht mehr funktionierte. Dombrovskis ruft nach dem Engagement der neuen US-Regierung: „Mit der neuen US-Regierung haben wir die Möglichkeit, gemeinsam die WTO zu reformieren.“
Bernd Lange (SPD), Chef des Handelsausschusses im Europa-Parlament, unterstützt die neue Strategie: „Die Ausrichtung auf eine offene strategische Autonomie ist richtig“. Er bemängelt aber, dass notwendige handelspolitische Instrumente lediglich angedeutet wurden: Es bedürfe „neuer Regeln im Umgang mit subventionierten Unternehmen aus dem Ausland sowie Abwehrmöglichkeiten bei Angriffen auf die ökonomischen und politischen Interessen der EU.“ Der Handelsexperte der EVP-Fraktion, Sven Simon (CDU), sagte: „Es ist weder dem Menschen noch dem Klima gedient, wenn Handelsverträge aufgegeben werden, die ambitionierte Nachhaltigkeitskapitel haben.“ Die Kommission müsse die Ratifizierung des Mercosur-Abkommens vorantreiben.
Handelsabkommen der EU
Seit Abschluss des Handelsabkommen mit dem Vereinigten Königreich gibt es nun 46 Abkommen der EU mit 88 Partnerländern. In der Handelspolitik haben die Mitgliedstaaten ihre Kompetenzen an die EU-Kommission abgetreten, die stellvertretend für alle die Verträge aushandelt.