Röntgenbilder spielen beim Befund von Rheuma eine wichtige Rolle. Foto: picture alliance/dpa/Arno Burgi

Noch immer sind rheumatische Erkrankungen nicht heilbar. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Patienten bei rechtzeitiger Behandlung und mit neuen Medikamenten die Gelenkentzündungen stoppen können.

Hamburg - Es gibt eine gute Nachricht zum diesjährigen Welt-Rheuma-Tag: Für Patienten mit entzündlichen Rheumaerkrankungen steht eine neue und weniger komplizierte Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung. Seit etwa zwei Jahren können Ärzte in Deutschland zwei Mittel verordnen, die die Autoimmunreaktion bei der rheumatoiden Arthritis auf neuartige Weise unterdrücken. Die sogenannten Januskinase-Inhibitoren verhindern, dass bestimmte Botenstoffe (Zytokine) an der Zellmembran eine Signalkette auslösen, die im Inneren der Zelle zur Produktion neuer Entzündungsstoffe führen. Diese verursachen im Muskel- und Skelettsystem, aber auch an Herz und Lunge schwere Schäden und Schmerzen.

Wesentlichen Fortschritt erzielt

Es gibt bereits Biologika, gentechnisch hergestellte Eiweißstoffe, die als Medikament genauso spezifisch außerhalb der Zelle die Botenstoffe hemmen. Diese Mittel sind bereits seit 1998 in Deutschland zugelassen, sagt Hendrik Schulze-Koops, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie. Seitdem hätten die entzündlichen rheumatischen Erkrankungen ihren Schrecken verloren. Noch in den 80er Jahren seien die Patienten im Schnitt zehn Jahre früher als die Gesamtbevölkerung gestorben. Inzwischen sei ihre Lebenserwartung dem Durchschnitt angeglichen. Die Betroffenen könnten sogar Sport treiben.

Doch für viele Patienten haben die Biologika einen Nachteil: Sie müssen unter die Haut oder in die Blutbahn gespritzt werden. Die neueren Januskinase-Inhibitoren, auch JAK-Hemmer genannt, können Betroffene dagegen einfach als Tablette schlucken. Die Leiterin der Sektion für Rheumatologie und entzündliche Systemerkrankungen am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Ina Kötter, bewertet die Mittel als weiteren wesentlichen Fortschritt in der Rheuma-Therapie.

Kosten bleiben vorerst ähnlich

Ein anderer Vorteil, der sich in einigen Jahren bemerkbar machen könnte: die Kosten. Zurzeit schlägt eine Behandlung mit Biologika nach Angaben von Schulze-Koops mit 12.000 bis 25.000 Euro pro Jahr zu Buche. Die JAK-Hemmer sind ähnlich teuer, eine Behandlung kostet nach Angaben von Kötter 15.000 bis 18.000 Euro. Allerdings laufe der Patentschutz für die Mittel innerhalb von sieben oder acht Jahren aus. Dann könnten Nachahmer-Medikamente günstig hergestellt werden. „Wir warten auf Generika“, sagt Kötter. Die Produktion von Biologika werde dagegen mit einem „Riesenaufwand“ verbunden bleiben.

Schulze-Koops verteidigt die Verschreibung der teuren Medikamente. Während der Patient an Lebensqualität gewinne, gewinne die Bevölkerung an Arbeitskraft. Frühverrentungen würden vermieden, betroffene Frauen könnten schwanger werden und Kinder bekommen. Die Nebenwirkungen der neuartigen Medikamente sind meist Folgen der geschwächten Abwehrkräfte. Kötter nennt vor allem Herpes-Viren, die aktiv werden könnten. Auch die Nierenwerte müssten genau beobachtet werden.

Andere Behandlungsmethoden haben Vorrang

Allerdings sind die Biologika nicht das erste Mittel bei entzündlichen rheumatischen Erkrankungen. Wer mit Schmerzen zum Arzt geht, bekomme in der Regel zunächst Kortison. Damit werde die Aktivität des Immunsystems vermindert. „Wenn es brennt, sind Sie froh, wenn die Feuerwehr erst mal Wasser gibt“, erläutert Schulze-Koops das Vorgehen. Dann folge normalerweise die Gabe von Hydroxychloroquin oder Methotrexat. Das eine ist eigentlich ein Malariamittel, das andere ein Tumormedikament. In sehr niedriger Dosierung könnten sie die Entzündungen zum Stillstand bringen, jedoch in der Regel erst nach einigen Wochen oder mehr.

Eine Heilung rheumatisch entzündlicher Erkrankungen ist noch nicht möglich - auch mit den neuen JAK-Hemmer nicht. „So suchen wir nach wie vor nach dem Heiligen Gral“, sagt Schulze-Koops. Entscheidend für den Erfolg einer Therapie sei die frühe Diagnose. Wer erkranke, habe nicht gleich Gelenkschmerzen, sondern Symptome wie bei einer Grippe: Fieber, Nachtschweiß, Leistungsverminderung, Müdigkeitsgefühl. Ob eine Entzündung vorliege, müsse ein Rheumatologe schnell klären.

Zu wenig Rheumatologen in Deutschland

Die Wahrscheinlichkeit eines Behandlungserfolgs sinkt laut Schulze Koops pro Woche um ein Prozent. Die Zeitspanne von den ersten Symptomen bis zum ersten Besuch beim Rheumatologen liege nach einer Studie aus dem Jahr 2016 bei rheumatoider Arthritis aber bei acht Monaten, bei Morbus Bechterew, einer Erkrankung vor allem an der Wirbelsäule, sogar fünf bis sieben Jahre. Darum fordere die Gesellschaft für Rheumatologie eine bessere Früherkennung und Versorgungsstruktur. Es fehlten 600 niedergelassene Rheumatologen in Deutschland, so Schulze-Koops.

Eine Aktion der Selbsthilfeorganisation Deutsche Rheuma-Liga zum Welt-Rheuma-Tag soll den Fokus außerdem verstärkt auf junge Menschen lenken. „Rheuma ist keine Frage des Alters“, sagt Rotraut Schmale-Grede, Präsidentin der Deutschen Rheuma-Liga. Das Motto der Kampagne lautet deshalb „Rheuma ist jünger als du denkst“.

Auf Instagram zeigen die 23-jährige Britta und der 43-jährige Christian, wie sie mit ihrer rheumatischen Erkrankung zu Beginn umgegangen sind und mittlerweile umgehen. Die Aktion soll fast neun Monate laufen. In den Kommentaren kommt die Kampagne bis jetzt sehr gut an. Viele User berichten unter den Bildern von ihren eigenen Erfahrungen mit Rheuma und bedanken sich bei den beiden.