In einer Computeranimation zeigt die Studentengruppe, wie Surfen auf der Spree aussehen könnte. Foto: Grimme/Bergmann/Rauter

Eine Surfwelle auf der Spree – davon träumen Claudius Grimme, Marlene Bergmann und Dolores Rauter. Noch stehen der Idee viele Hindernisse im Weg – wie die Berliner Kanalisation: Sie läuft regelmäßig über und macht die Spree zur Kloake. Könnte die Hauptstadt trotzdem zum Surf-Eldorado werden?

Berlin - Der Weg nach Hawaii ist Julius Grimme viel zu weit. Auf der Südseeinsel hat er vor Jahren als Austauschschüler Surfen gelernt. Jetzt studiert Grimme in Berlin. Das Wellenreiten will er auch dort nicht länger missen. 44 Kilometer Strecke macht die Spree in Berlin. Per Kayak, Ausflugsschiff oder Floß erkunden Touristen auf dem Fluss die Stadt. Wenn der Plan von Grimme und seinen Mitstreiterinnen aufgeht, geht Sightseeing in Zukunft auch vom Surfbrett aus.

Eine stehende Welle in der Spree wollen die Studenten Claudius Grimme, Marlene Bergmann und Dolores Rauter schaffen. So soll Flusssurfing in Berlin möglich werden. Als Vorbilder für das Projekt dienen die Eisbachwelle in München oder die Almkanalwelle in Salzburg. Im Eisbach sorgt eine Steinstufe für eine stehende Welle. In Salzburg wurde das Flussbett 2010 mit einer Rampe versehen, um eine stehende Welle zu schaffen. Damit ziehen die Städte junge Sportler an. Surfen auf dem Fluss ist zur neuen Trendsportart geworden.

Start-Ups bauen Sportgeräte für das Flusssurfen

Die Sportgeräte, die man dafür braucht, bauen sich die Flusssurfer selbst zusammen. Das Österreichischer Start-Up-Unternehmen Wuux stellt Surfbretter speziell für Eisbach und Almkanal her. Die Münchner Firma Hidro liefert die passenden Finnen – kleine Plastikteile für Lenkung und Balance beim Surfen – dazu.

Adrenalinfreunde können sich in Berlin bereits von einem 125 Meter hohen Gebäude am Alexanderplatz stürzen oder sich mit Freunden in einen unterirdischen Bunker einschließen lassen. Auf der Spree surfen geht noch nicht. Die Idee dazu hatten Grimme, Bergmann und Rauter in einem Seminar zur Projektentwicklung im Rahmen ihres Masterstudiums „Medien- und Kommunikationsmanagement“ an der privaten Macromedia-Hochschule. Die Studenten sollten ein Problem in der Stadt finden, das sie lösen möchten. Der Dreiergruppe wurde klar: Flusssurfing würde für Berlin „einen extrem hohen Mehrwert darstellen“, sagt Claudius Grimme.

Spree zu schmutzig zum Baden

Der Haken an der Sache: In Berlin ist die Spree zu dreckig, um darin zu baden – oder eben das Surfbrett zu besteigen. Bei starken Regenfällen landet in Berlin immer wieder Abwasser aus der Kanalisation im Fluss. Dann schwimmen gelegentlich tote Fische im Wasser. Lust zum Baden macht das nicht.

Grimme, Bergmann und Rauter haben dennoch Hoffnung, dass ihre Idee Wirklichkeit werden könnte. Bei ihrer Recherche sind die Studenten auf das Projekt „Flussbad Berlin“ gestoßen. Diese Gruppe will einen Abschnitt der Spree neben der bekannten Museumsinsel mit einem Pflanzenfilter säubern und dort ein Flussbad errichten. Die Spree im historischen Kern der Stadt soll zum sozialen Treffpunkt werden. Rückenschwimmen mit Blick auf das Pergamon-Museum? Die Flussbad-Gruppe erforscht aktuell, ob und wann diese Vision Wirklichkeit werden könnte. Eine Machbarkeitsstudie hat gezeigt, dass ein Pflanzenfilter das Wasser so sauber machen könnte, das Baden möglich wäre.

In der Hauptstadt soll ein Flussbad entstehen

Auch der Hochwasserabfluss wäre kein Problem. „Als nächstes wollen wir das Thema Denkmalschutz angehen“, sagt Barbara Schindler, Sprecherin des Flussbad-Projekts. Nicht der letzte Aspekte, der geprüft werden müsse. 1925 wurde laut Schindler das letzte Flussbad in Berlin geschlossen. „Wenn wir 100 Jahre später, also 2025, wieder reinspringen könnten, wäre das toll.“ Eine Surfwelle passt für Schindler nicht in das Konzept. „Das soll eine ganz natürliche Sache sein, ein ruhiger Ort“, sagt sie. „Wir wollen dort keine Infrastruktur, auch keine Pommesbuden.“

Ob Surfer je das Herzen Berlins zu ihrem Terrain zählen werden, steht in den Sternen. Führt die Spree in Berlin überhaupt genug Wasser, damit eine Welle entstehen würde? „Das müsste man erst einmal messen“, sagt Dolores Rauter. Wie viel würde es kosten, das Flussbett umzubauen? Und wie soll das Wasser sauber werden, wenn die Flussbad-Gruppe andere Pläne hat? Auch wenn ihr Traum noch ganz am Anfang ist – Grimme, Bergmann und Rauter zeigen sich optimistisch. Aktuell tüfteln sie an einem Kommunikationskonzept, mit dem sie Sponsoren und Verwaltung von ihrer Idee überzeugen wollen. „Vielleicht wäre die Stadt Berlin bereit, es als Marketingkampagne zu nutzen“, sagt Grimme.

Spätestens dann sollten die drei an Barack Obama schreiben und den Präsidenten der USA vorwarnen: Es besteht die Gefahr, dass in ein paar Jahren kein Mensch mehr zum Surfen nach Hawaii fliegen möchte.

Infokasten: Flusssurfen in der Region Stuttgart

Auch im Raum Stuttgart surfen mancherorts Sportler auf Flüssen – oder träumen zumindest davon:

In Besigheim zwischen Stuttgart und Heilbronn hat sich die Facebook-Gruppe Enz Surfing gebildet, die aktuell rund 120 Mitglieder hat. Die Gruppe nutzt eine stehende Welle auf der Enz, einem Zufluss des Neckars, zum Surfen. Außerdem gleiten junge Leute mit einem Bungee-Seil, das sich zusammenzieht und dadurch den Surfern Antrieb gibt, den Fluss entlang.

Auch die Gruppen Neckarwelle Esslingen und der Trendsportclub Hohenstaufen setzen sich in sozialen Medien für Flusssurfen ein. Sie wollen, dass auf dem Neckar und in Göppingen auf der Fils geeignete Wellen entstehen.

Beim Bürgerhaushalt 2015 der Stadt Stuttgart wurde ein Vorschlag zum Flusssurfen in Bad Cannstatt eingereicht. Neben der Schleuse sollte ein „Wildwasserkanal“ für Wellenreiter errichtet werden. „Was München mit dem Eisbach hat, kann Stuttgart noch viel besser!“, schreibt der Nutzer namens „Trollinger21“ und regt sportliche Wettbewerbe an. Der Vorschlag erreichte Platz 1171. Die Verwaltung prüft aber nur die besten 100 Plätze. (swa)