In Sersheim hat ein Wolf eine entlaufene Ziege gerissen. Foto: dpa

Der Wolf, der Mitte Janaur bei Sersheim ein Tier gerissen hat, ist womöglich derselbe wie in Korntal-Münchingen. Auf einem Feld in Kallenberg wurde er am Vorabend gesehen und gefilmt.

Kreis Ludwigsburg - In Baden-Württemberg ist nach einer totgebissenen Ziege am südlichen Ortsrand von Sersheim im Landkreis Ludwigsburg der mindestens sechste Wolf nachgewiesen worden. Vermutlich handelt es sich um dasselbe Tier, das ein Ehepaar aus Schwieberdingen am 13. Januar auf einem Feld im Stadtteil Kallenberg von Korntal-Münchingen aus dem Auto heraus gefilmt hat.

„Wir gehen davon aus, dass es dasselbe Tier ist. Dafür spricht die geringe Distanz zwischen Sersheim und Kallenberg“, sagt Micha Herdtfelder, Wildtierökologe an der forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg (FVA), unserer Zeitung. Dort laufen alle Wolfssichtungen ein sowie Ergebnisse zu Untersuchungen. „Wo der Wolf sich aufhält, weiß aber keiner“, sagt Herdtfelder. Kein Wunder: Wölfe legen in einer Nacht bis zu 70 Kilometer zurück.

Wolf kommt vielleicht aus der Schweiz

Am 14. Januar wurde in Sersheim bei Vaihingen/Enz eine gerissene Ziege gefunden, nachdem sie von einem landwirtschaftlichen Betrieb verschwunden war. Das tote Tier hatte einen offenen Hals- und Brustbereich – Kehlbisse sind typisch für Wölfe. Experten vom Senckenberg-Institut in Gelnhausen (Hessen) haben daraufhin genetische Spuren untersucht: Speichel, den das angreifende Tier in dem Kadaver hinterlassen hatte. Diese wurden mit Proben von Wölfen verglichen, die in der Datenbank erfasst sind. Die Analyse hat ergeben, dass der Angreifer ein Wolf aus der sogenannten italienischen Linie (Alpenpopulation) ist. Er ist demnach nicht identisch mit dem Tier, das im Laufe der vergangenen Wochen mehrfach im Nordschwarzwald nachgewiesen wurde. Damit sind in Baden-Württemberg binnen kurzer Zeit zwei Wölfe bestätigt worden. Der Wolf von Kallenberg ist der erste nachgewiesene Wolf in der Region Stuttgart. Hätte er bei seinem Streifzug durch Korntal-Münchingen Spuren hinterlassen, könnten diese mit den Spuren von Sersheim verglichen werden.

Welches Geschlecht der Wolf von Sersheim hat und aus welchem Rudel und Land genau er kommt, lässt sich noch nicht sagen. Dazu müssen die Speichelproben zum Vergleich an ein Labor in Lausanne zur Genotypisierung geschickt werden. Die Schweizer Wissenschaftler haben eine umfassende Datenbank mit Vergleichsproben aus der Schweiz und aus Frankreich sowie enge Kontakte zu den italienischen Kollegen. „Im Idealfall wissen wir dann alles über den Wolf“, sagt Micha Herdtfelder.

Das Verfahren ist allerdings aufwändig, und es ist auch nicht sicher, ob die Genotypisierung überhaupt gelingt. Denn möglicherweise hat die Speichelprobe eine zu schlechte Qualität. „Es kann auch sein, dass die Eltern des Tiers nicht erfasst sind“, sagt Micha Herdtfelder. In jedem Fall werden die Vergleichstests in Lausanne mehrere Wochen dauern.

Drei Wölfe sind tot

Der Wildtierökologe vermutet, dass es sich bei dem gefilmten Wolf von Kallenberg „wahrscheinlich“ um einen „Jüngling“ handele. Das sind Tiere, die ein bis zwei Jahre alt sind. Für gewöhnlich verlassen Wölfe im zweiten Lebensjahr ihr Rudel. Sie gehen auf Wanderschaft und suchen sich einen Partner, mit dem sie sesshaft werden und ein eigenes Rudel gründen.

2015 wurden auf Baden-Württembergs Autobahnen, an der A 5 bei Lahr und an der A 8 bei Merklingen, zwei Wölfe totgefahren. Ihre Entdeckung war eine Sensation, waren sie doch der erste Beweis seit 150 Jahren für die Rückkehr der Wölfe ins Ländle. Mitte Mai 2016 wurde auf der Baar-Hochfläche zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb der erste lebende Wolf gesichtet. Er ist seitdem verschwunden. Der vierte nachgewiesene Wolf war der Schluchsee-Wolf, er wurde im Juli 2017 erschossen. Markus Rösler, der naturschutzpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Stuttgarter Landtag und Wolfsbeauftragte des Naturschutzbundes, sagt: „Sollte es im Südwesten zur Rudelbildung kommen, brauchen Wölfe 15 000 bis 35 000 Hektar Platz und möglichst viele Rehe, Wildschweine und Hirsche.“ In Deutschland leben inzwischen mehr als 600 Wölfe.