Besucher in der Alten Kelter haben die besonderen Weine des Remstals, Stuttgarts und Esslingens im Glas. Foto: Gottfried Stoppel

In der Alten Kelter in Fellbach zeigen sich zahlreiche Weinzähne und interessierte Einsteiger erfreut über die vinologische Vielfalt der Region. Ein Experte mit individueller Ausdrucksweise empfiehlt mehr Mut bei der Preisgestaltung.

Fellbach - Albert de Jong schwärmt von den VDP-Weingütern Württembergs: „Das sind immer noch Geheimtipps. Württemberger Wein kennt kaum jemand im Ausland“, sagt der Rieslingexperte. Den ganzen Samstag kostete er sich in der Alten Kelter durch den „Weintreff“, wo es am Wochenende rund 300 Weine von 50 Weingütern aus dem Remstal, Stuttgart und Esslingen zu probieren gab. Besonders die hiesigen Rieslinge haben es de Jong angetan, und er wird sie wieder bei der größten Wein- und Food-Messe für die Gastronomie in Holland vorstellen: „Ich will den Namen Württemberg in Holland bekannt machen“, sagt er. Diese Weine seien so „erfrischend und klar.“ Sie kosteten lediglich ein Drittel der berühmten Tropfen aus dem Burgund, schwärmt der Holländer und verrät sein Dilemma: „Ich probiere fast nur junge Weine, aber privat trinke ich lieber gereifte.“ Weine mit Reife-Potenzial standen auch beim Weintreff im Mittelpunkt: „Aber kaum einer gibt ihnen die nötige Zeit“, bedauert Albert de Jong.

Würtz, selbst Weingutbesitzer, lobt „diese spezielle Frische, die Präzision“ der Württemberger Weine

Alle zwei Stunden lud der Winzer und Wein-Blogger Dirk Würtz zu geführten Proben. Das Publikum drängte sich, um seine erfrischenden Statements zu hören. „Ich tue das, was Ratzinger machte, bevor er Papst wurde: Ich kritisiere Althergebrachtes“, sagt Dirk Würtz. Deutschland sei inzwischen das einzige Land, das die Qualität eines Weines am Zuckergehalt festmache, beklagt er. Das habe vielleicht früher eine Rolle gespielt, aber durch den Klimawandel, der dem hiesigen Weinbau entgegenkomme, reife ja inzwischen alles perfekt aus. Die großen Gewächse bezeichnet er als „Spitze der Nahrungskette“, als „weiße Haie“ unter den Weinen.

Würtz, selbst Weingutbesitzer, lobt „diese spezielle Frische, die Präzision“ der Württemberger Weine. Auch sein sonstiges Vokabular ist ungewohnt. Statt von „Mineralität“ spricht er von „Salzigkeit“ und erklärt das so: „Wenn die Lippe so ein bisschen an den Zähnen hängen bleibt, ähnlich wie bei den tanninhaltigen Rotweinen...“. Nirgends auf der Welt werde ein „Grand Cru“ zu so kleinem Preis verkauft wie in Württemberg, sagt Würtz und rät den Wengertern zu mehr Mut. Moritz Haidle vom Stettener Weingut Hans Haidle hat allerdings bei einem Flaschenpreis von 32 Euro seines Pulvermächer Riesling, großes Gewächs,erlebt: „Da werde ich schon manchmal blöd angeguckt“. Dabei sei ein Preis genau das richtige Mittel, um etwas gegen das „dramatische Image“ des Württemberger Weins zu tun, ist Würtz überzeugt.

Auch die Württembergische Weinkönigin Julia Böcklen und die Fellbacher Prinzessin Ellen Volzer steckten am Samstag ihre hoheitlichen Näschen in das eine oder andere Weinglas

Ein ausgezeichnetes Image haben die hiesigen Weine bei einem Quintett aus Schwäbisch Gmünd, das sich in Anlehnung an das Einhorn im Stadtwappen „Weinbruderschaft Unicornus“ nennt. Sie seien insgesamt 25 „Weinverrückte“, sagt Ordensmeister Georg Weidmann. Man verkoste gemeinsam Weine aus aller Welt vom Alltagswein bis zu den großen Gewächsen. „Und in Württemberg kann man da durchaus mal ein Schnäppchen machen“, schwärmen die Freunde. Daniela Trah interessiert sich dagegen vor allem für Weine von Winzerinnen.

Auch die Württembergische Weinkönigin Julia Böcklen und die Fellbacher Prinzessin Ellen Volzer steckten am Samstag ihre hoheitlichen Näschen in das eine oder andere Weinglas. „Mir gefällt die Experimentierlust und die Bandbreite der hiesigen Wengerter“, sagte Julia Böcklen. „Wir sind hier eine großartige Weinregion, und wir können selbstbewusst sein“, sagt die Weinkönigin. Albert de Jong wird dem unumwunden zustimmen.