Bei der 20. Stuttgarter Weintafel sind Frauen in der Minderzahl. Christel Currle, die Inhaberin eines Wein- und Sektguts, hat sich ihren Platz hart erkämpft. Foto: Lichtgut/Schmidt

Im Marketing und auf Messen sind sie mittlerweile zahlreich zu finden, doch noch nicht in der Geschäftsführung der Weinerzeuger. Immerhin, langsam tummeln sich auch dort mehr Frauen: Aber das Winzergeschäft ist noch eine Männerdomäne, wie bei der Weintafel deutlich wurde.

Stuttgart - Anfangs ist es an der Tagesordnung gewesen. „Seit 1997 hatte ich die interne Leitung, 2007 übernahm ich den Betrieb meiner Eltern. Und dennoch dauerte es durchaus einige Jahre, bis Anrufer mich am Telefon nicht mehr fragten ‚Kann ich bitte mal den Chef sprechen’!“, erzählt Christel Currle, Inhaberin des gleichnamigen Sekt- und Weinguts in Stuttgart-Uhlbach. Dort traf sich die 20. Stuttgarter Weintafel, ein loser Zusammenschluss von Weinerzeugern und Weinvermarktern, Gastronomen und Genießern, die sich zu Weinthemen austauschen, unter Federführung des einstigen Stuttgarter Messechefs Rainer Vögele. Der führte in den Abend ein: Es gehe um die Ansichten der führenden Weinfrauen, „die Verantwortung in der Weinwirtschaft tragen“. Neben Christel Currle waren das die Geschäftsführerin der Weingärtnergenossenschaft Esslingen, Ramona Fischer, geladen, sowie Friedlinde Gurr-Hirsch, Staatssekretärin im Ministerium für ländlichen Raum und Verbraucherschutz, die aus einer Weingärtnerfamilie stammt.

Nach wie vor ist die Weinwirtschaft eine Männerdomäne. Zwar hat die Zahl der Frauen, die sich zur Winzerin ausbilden lassen, leicht zugenommen, jene, die Weinbau etwa in Geisenheim oder Weinbetriebswirtschaft an der Fachhochschule Heilbronn studieren, sogar stark. Doch an vorderster Front in einem Weingut sind nur wenige Frauen.

Weniger Frauen als bei den Dax-Unternehmen

Vor einigen Jahren nahmen Mitarbeiter der Wochenzeitung „Die Zeit“ 200 Spitzenweingüter unter die Lupe und zählten 13 Frauen, die Betriebe führten. Das sind 6,5 Prozent, weniger als bei den TOP-200-DAX-Unternehmen, nach dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) gab es da Ende 2016 gut acht Prozent Managerinnen.

„2016 waren im Land nur sieben Prozent Frauen unter den Weinzeugern, bei den Technikern 30 Prozent und im internationalen Weinmanagement 60 Prozent“, so Staatssekretärin Gurr-Hirsch. In den Gremien oder den Vorständen der Genossenschaften seien fast keine Frauen zu finden. Auch bei der Weintafel zeigte sich: die meisten Frauen führen Betriebe, wenn dem Winzer der Sohn fehlt. Auch bei den Currles, die seit 1974 ihren Wein selbst ausbauen, gab es drei Töchter – die Besenwirtschaft „Dreimädelhaus“ zeugt davon. „Manche haben Kinder, bis der Sohn kommt“, schmunzelte Christel Currle. „Meine Eltern nicht. Ich war diejenige, die übernahm.“ In Remstäler Betrieben lernte sie, ging nach Neuseeland, machte in den 90ern den Techniker für Weinbau und Kellerwirtschaft in Weinsberg. „Damals als einzige Frau wurde mir bewusst, welche Männerwirtschaft das ist.“ Längst hat sie da ihren Platz. 2017 wurde Currle vom Magazin Selection im Degustationswettbewerb zur Winzerin des Jahres gewählt. „Winzerin, zwei Kinder, das kommt man mitunter an Grenzen, aber es geht, weil ich einen starken Mann an meiner Seite habe.“

Das bestätigt auch Ramona Fischer. Mit Currle war sie sich einig: Frauen müssten es wollen, vorne dran zu stehen – und realistisch sein. „Das ist nicht so glamourös wie in Filmen, da muss man auch zupacken, und viel, viel wissen und lernen“; so Currle. Und Fischer beschrieb, dass es ein ständiges Sich-Absprechen mit dem Partner sei, ein Prioritäten setzen und Kompromisse schließen. Kitas, Krippen und Ferienbetreuung entlasteten Familien. Aber Frauen legten mehr Wert auf die Familie, indes Männer zu Terminen im Weinbauverband gingen. „Neben einer anspruchsvollen Arbeit und den Kindern bleibt uns nicht so viel Zeit für Gremien“, so die Geschäftsführerin der Weingärtnergenossenschaft Esslingen.

Der Laufstall wurde im Weinberg aufgestellt

Auch sie hat zwei Kinder. Auch sie stammt aus einer Winzerfamilie, der Stuttgarter Weindynastie Zaiss, ist in Obertürkheim geboren, in Heilbronn aufgewachsen. Schon als Kind lernte sie die Arbeit im Weinberg kennen – der Laufstall wurde dort aufgestellt. Später wollte sie einen eigenen Betrieb. Nach verschiedenen Stationen wie der Winzerfachschule studierte sie in Heilbronn Weinmarketing, ging einige Jahre zu den Fellbacher Weingärtnern, bevor ihr – gerade mal 30 Jahre alt – vom Vorstand der Esslinger die Führungsposition angeboten wurde. „Ich war die einzige Frau unter den Bewerbern – und im gebärfähigen Alter –, aber meine Qualifikationen zählten“, so Fischer. Sie war allein unter Männern, seit kurzem aber hat sie auch eine Aufsichtsrätin. „Es gab nie Probleme. Eher die Konkurrenz beäugte mich. Aber es hat auch Vorteile, unterschätzt zu werden.“ Fischer ist überzeugt, Frauen bringen andere Perspektiven und Emotionalität in den Wein – „das tut ihm gut“. Gut getan hätten auch Frauennetzwerke wie Vinissima oder die Trollinger-Evas – die einzige weibliche Winzergenossenschaft Deutschlands löste sich nun nach zehn Jahren auf. Christel Currle macht indes ihr Ding: „Das Klima ist heute offener für Frauen im Weingeschäft. Letztlich geht es weniger darum, als Frauen wahrgenommen zu werden. Wir müssen mit unserem Können überzeugen, unsere Produkte müssen stimmen.“