Das Weinstädter Unternehmen Bernd Kußmaul ist in Fachkreisen vor allem für Speziallösungen in Edelkarossen bekannt. Jetzt macht es mit einem ganz anderen Projekt Furore.
Weinstadt/Stuttgart - Für die US-Amerikanerin Simone Biles ist der Mannschaftstitel am Dienstag bei der Turn-WM in Stuttgart bereits ihr 21. Treppchenplatz bei Weltmeisterschaften gewesen. Eine auch nur annähernd vergleichbare Medaille findet sich in ihrer reichhaltigen Sammlung bisher aber nicht. Auch die Form der Verleihung ist für den 22-jährigen Superstar seiner Sportart eine Premiere gewesen. Verantwortlich dafür zeichnet eine Edelmanufaktur aus Weinstadt.
Bernd Kußmaul ist in Fachkreisen insbesondere für Speziallösungen für Edelkarossen bekannt. Alles, was schön schimmert am Ex- und Interieur des Bugatti Veyron, dem mit mehr als 1000 PS stärksten Serienfahrzeug der Welt, geht auf die kleine, aber feine Firma zurück, die ihr Domizil auf dem Gelände des ehemaligen Likörherstellers Jacobi am Rand von Großheppach hat.
Binärcode der britischen Weltraumrakete
Aktuell liegt in der kleinen Fertigungshalle für außergewöhnliche Produkte eine Zierblende für das Armaturenbrett im Rolls-Royce Phantom VIII, Grundpreis etwa eine halbe Million Euro. In der „Basisversion“ ist der Binärcode der Startsequenz der ersten britischen Weltraumrakete in den gebürsteten Edelstahl eingestanzt, der im Auto hinter eine Glasscheibe gepackt wird. Auf Wunsch kann sich der Kunde in die „Gallery“ aber auch individuelle Wünsche einarbeiten lassen, etwa ein Bild seines Lieblingsmalers.
In einem weiteren Raum werden Einzelteile für einen Premium-Mineralwasserspender montiert, dessen Gehäuse Kußmauls Firma konzipiert hat. Die Start-up-Firma Luqel mit Sitz in Pforzheim und Dublin, die den Auftrag für die Vorserie nach Weinstadt vergeben hat, verspricht eine „Weltneuheit, die Wassertrinken weltweit verändern wird“. Das Leitungswasser werde nicht nur per Mikro-Umkehrosmose gereinigt, der Kunde soll es auch nach seinem Geschmack individuell mineralisieren können. Die Geräte sollen mit Hilfe von Kußmauls Team demnächst in die Serienproduktion gehen.
Für eine Luxemburger Firma hat Kußmaul den Prototypen eines Hightech-Elektrorollers entwickelt, der lediglich 30 Kilogramm wiegt und zusammengeklappt in öffentlichen Verkehrsmitteln mitgenommen werden könnte. Drei Objekte aus einem ganz anderen Bereich hat er bereits auf die Reise nach China geschickt: Schiedsrichterstühle für das Finale der World-Tennis-Association. Die Bandbreite dessen, was sein mittlerweile 45-köpfiges Team zusammen mit anderen kompetenten Partnern realisieren könne, sei fast beliebig groß, behauptet Kußmaul: „Der Slogan ,Geht nicht gibt’s nicht’ klingt vielleicht abgedroschen – aber auf uns trifft das eigentlich genau zu.“
Sportler buchstäblich ins rechte Licht gerückt
Um genau das in einem eher fachfremd anmutenden Projekt auch mal öffentlichkeitswirksam zu zeigen, hat die Firma, die seit Jahren fast unbemerkt immer wieder als TOP-100-Innovator ausgezeichnet wird, jetzt nicht nur die Medaillen der Turn-WM entworfen und gefertigt, sondern die Siegerehrungszeremonie bis ins kleinste Detail durchdacht. Herausgekommen ist das, was die Firma in ihrem internen Projektcode-Namen als Magic Moment bezeichnet hat: Die Sportler werden buchstäblich ins rechte Licht gerückt.
Bei der Umsetzung hat Bernd Kußmaul das getan, was er auch bei anderen Projekten macht: sich verschiedenste Kompetenzen mit ins Haus geholt. Insgesamt sieben Unternehmen aus Baden-Württemberg sind an der Entwicklung der Medaillen beteiligt gewesen.
Eine davon ist die Staatliche Münzprägeanstalt in Bad Cannstatt. Die musste Kußmaul zunächst davon überzeugen, dass sie etwas wagen sollte, was sie bisher noch nicht gemacht hatte: einen Reliefdruck, der rund drei Millimeter aus der Grundfläche herausragt. Der Höheneffekt sollte nicht nur den Entwurf des Designers Li Sun, möglichst dynamisch zur Geltung bringen, sondern auch besondere Lichtreflexionen möglich machen.
Bewegungssensor schaltet die Beleuchtung an
Die Medaille, die nach Ansicht von Kußmaul „schon so die schönste ihrer Art gewesen wäre“, sollte nämlich auch selbst leuchten können. Und so tüftelte man zusätzlich daran, auf kleinstem Hohlraum LED-Fasern, Streuscheiben, Akku und Bewegungssensoren unterzubringen, auf dass die Medaille beim Anheben leuchte.
Das ist gelungen. Und so fängt bei der Siegerehrung, zu der das Licht ausgeschaltet wird, nicht nur die Medaille an zu funkeln, sie sorgt auf wundersamem Wege auch dafür, dass das Band, an dem sie befestigt ist, rundherum schimmert und den Sportler auf diese Art einrahmt.
Dass das Band kein konventionelles ist, sondern eine Sonderanfertigung aus recycelten PET-Flaschen, versteht sich fast von selbst. Ebenso, dass die glasperlengestrahlten und von Hand polierten Medaillen nicht herkömmlich überreicht werden, sondern in einem Turnbeutel – der natürlich im Design an Edelmetall und Treppchen angepasst wurde. Selbst an die Zeit danach hat man bei Kußmaul gedacht. Der Akku, der in Summe 250 Stunden Beleuchtungszeit schafft – nach sechs Minuten schaltet sich das Licht automatisch ab – kann mit einem gängigen Handykabel aufgeladen werden, Bedienungsanleitung und Pflegeanleitung werden im Turnbeutel mitgeliefert.
Softwareupdate fürs Schmuckstück
Natürlich sei man mächtig stolz, dass alles so gut geklappt und man allenthalben – bis hinauf zum Ministerpräsidenten – höchstes Lob für das Gesamtkonzept eingeheimst habe, sagt Kußmaul. Seinem Hang zur Perfektion hat er nach der ersten Siegerehrung am Dienstag allerdings noch einmal nachgeben müssen: Weil der Bewegungssensor für den Magic Moment der Medaillen seiner Meinung nach bei Simone Biles & Co. einen Tick zu spät angeschlagen hatte, wurde dem Rest kurzerhand noch ein kleines Software-Update aufgespielt.