Fast fünf Millionen beträgt das Defizit in Weinstadts Haushaltsplan. Die Stadt muss dringend sparen. Gleichzeitig stehen wichtige Infrastrukturprojekte an. Bleiben die selbst gesteckten Klimaschutzziele dabei auf der Strecke?
„Klimaschutz muss auch bei knappen Finanzen im Fokus bleiben“ – mit dieser Forderung hat sich das Klimabündnis Weinstadt in einem offenen Brief vorab der Verabschiedung des Etatplan 2025 an die Stadtverwaltung und den Gemeinderat gewandt. Erst ein Jahr zuvor hatte das Stadtparlament dem Klimaschutzaktionsplan der Verwaltung zugestimmt, mit dem Weinstadt bis 2035 klimaneutral werden soll.
Bündnis kritisiert„sehr übersichtliche Summen“
„Dazu vermissen wir allerdings im Etatentwurf entsprechende Akzente“, schrieb das Bündnis nun. Lediglich eine „sehr übersichtliche Summen“ von 35 000 Euro sei im Planentwurf für Fremdleistungen zu Öffentlichkeitsarbeit, Unternehmensnetzwerk, Veranstaltungen und Aktionen, eine Informationsoffensive Wärmepumpe und eine Beratungskampagne enthalten sowie 11 000 Euro für den European Energy Award (EEA), einem Klima-Qualitätsmanagement für die Verwaltung, an dem Weinstadt seit 2016 teilnimmt.
Gehör fanden die ehrenamtlichen Klimaschützer damit in den Haushaltsberatungen offenbar keines. Denn auf Antrag der Freien Wähler wurden die Summen um 10 000 Euro reduziert beziehungsweise durch den Beschluss nicht mehr am EEA mitzumachen ganz gestrichen. Gerät der Klimaschutz tatsächlich in Zeiten klammer städtischer Finanzen aus dem Blick?
Nein, meint der Oberbürgermeister Michael Scharmann. Dazu verweist er auf jüngste und laufende Projekte wie etwa den Bau der Freiflächen-Photovoltaik-Anlage auf dem Schönbühl durch die Stadtwerke Weinstadt als städtische Tochter und die hierzu neu gegründete Remstal Bürger-Energie-Genossenschaft (REBE), die geplante Wärmezentrale auf dem ehemaligen Holzlagerplatz der Stadt und die Mitarbeit der an der Holzbauoffensive des Landes – was selbst von den Briefverfassern eingeräumt werde. „Das heißt, wir machen als Stadt extrem viel im Vergleich zu gleich großen Kommunen und das wird so auch immer im Fokus bleiben“, resümiert der OB. „Wir brauchen uns alles andere als zu verstecken.“
Doch gehe es auch um Wirtschaftlichkeit. Und da stünden Klimaschutz-Projekte nun einmal in Konkurrenz mit vielen anderen Dingen, erklärt Scharmann mit Blick auf wichtige Infrastruktur-Projekte, wie die laufende Sanierung und der Ausbau der Silcherschule in Endersbach für insgesamt rund 17 Millionen Euro, das im Bau befindliche Wasserrückhaltebecken Schachen oberhalb von Strümpfelbach, das neue Funktionshallenbad und die anstehenden Ortskernsanierungen in Endersbach und Beutelsbach sowie den beabsichtigten Neubau der Grundschule Beutelsbach und das angedachte zentrale Feuerwehrhaus. Allein im aktuellen Etatplan sind insgesamt Investitionen von knapp 15 Millionen Euro vorgesehen. Um diese finanzieren zu können, müssen fast sieben Millionen neue Schulden gemacht werden.
Derweil laufen im Ergebnishaushalt erneut gestiegene Ausgaben, vor allem für Personal und eine höhere Kreisumlage, von 93,3 Millionen Euro den Einnahmen von 88,7 Millionen davon, so dass unter dem Strich voraussichtlich ein Minus von 4,6 Millionen Euro bleiben wird. „Ganz grundsätzlich ist die finanzielle Lage aller Städte und Gemeinden im Landkreis sehr angespannt,“ sagt der OB. „Wir unterscheiden uns da nicht von anderen.“ Ursächlich dafür seien immer neue zusätzliche Aufgaben, die den Kommunen von Bund und Land zugewiesen würden, Lohnsteigerungen sowie nicht zuletzt extrem stark gestiegenen Preise ausgelöst durch die Inflation, Zinsen und die konjunkturelle Lage.
„Wir müssen eine strenge Haushaltskritik machen“, kündigt Scharmann an. „Wo können wir einsparen, wo mehr Einnahmen erzielen und welche Aufgaben können wir uns noch leisten?“ Um Antworten hierauf zu finden, solle nach einer mehrtätigen Klausur mit dem Gemeinderat eine Haushaltsstrukturkommission eingesetzt werden. Doch auch im aktuellen Etatplan ist bereits der Rotstift angesetzt worden, neben diversen Kürzungsvorschlägen der Fraktionen, hat Scharmann pauschal alle 16 Stellenanträge der städtischen Ämter gestrichen und selbst der Leuchtende Weinberg als prominente Veranstaltung soll vorerst nicht mehr stattfinden.
Erst jüngst Expertenrat zum Klima einberufen
Dass die Ausgaben für den EEA gestrichen wurden, sieht Scharmann nicht als Einsparung am Klimaschutz – im Gegenteil. „Wir haben ja den Klimaschutzplan verabschiedet. Da wollen wir jetzt den Fokus drauflegen.“ Hierzu habe man erst jüngst den dafür eingesetzten Expertenrat mit Vertretern aus der Stadtverwaltung, dem Gemeinde-, dem Jugendgemeinde- und dem Stadtseniorenrat sowie von Unternehmen, Vereinen und Verbänden einberufen.
Das bestätigt Klaus Hainbuch, einer der Vorstände des Klimabündnis Weinstadt und Unterzeichner des Briefs. „Das war sehr gut“, kommentiert er das Treffen. Dabei habe man aus den vier Handlungsfeldern des Aktionsplans – Mobilität, Wohnen/Leben, Energieversorgung und Wirtschaft – je drei Themen definiert, die im kommenden Jahr angegangen werden sollen. „Nun müssen wir abwarten, was die Stadt aus der Auswahl macht.“ Sprich, ob dafür für den Etatplan 2026 von der Verwaltung Mittel eingestellt werden und der Gemeinderat dem so zustimmt. Doch werde man diesen Prozess bei regelmäßigen Jour fixe mit OB Scharmann und dem Ersten Bürgermeister Thomas Deißler und dem Stadtwerke-Chef Thomas Meier begleiten.
Das Urteil des OB fällt derweil schon positiv über die Themenauswahl aus: „So wie ich es einschätze, sind es alles Maßnahmen, die eine große Chance auf Realisierung haben.“ Zumal die Kosten überschaubar sein dürften, da es sich vorwiegend um verschiedene Informationskampagnen handelt, etwa für den Industrie- und Gewerbesektor, über Windkraft, PV-Anlagen und Gebäudesanierungen. „Wir als Stadt machen nur drei Prozent des CO2-Ausstoßes aus“, begründet Scharmann die Bedeutung derartiger Maßnahmen, um Privatleute und Gewerbetreibende für den Klimaschutz mit ins Boot zu holen.