Jutta Hansen-Paal lobt und motiviert die Kursteilnehmerinnen. Foto: Gottfried Stoppel

Die Künstlerin Jutta Hansen-Paal gibt für Demenzkranke einen Malkurs im Rahmen des Projekts „Demenzfreundliche Kommune Weinstadt“. Ein Besuch in einer der Stunden.

Weinstadt - Dass ist das erste Mal, dass ich ein Bild male“, sagt eine der acht älteren Damen im Brustton der Überzeugung, die an diesem Mittwochnachmittag in einem Aufenthaltsraum im Wilhelmine-Canz-Zentrum in Großheppach zusammensitzen und ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Ob es stimmt, dass sie in ihrem langen Leben wirklich noch nie zu Pinsel und Farbe gegriffen hat? Möglich oder auch nicht. Vielleicht hat sie es auch schlicht vergessen, so wie ihre Nebensitzerin, die ebenfalls standhaft behauptet, das noch nie getan zu haben. Dabei ist diese eigentlich durch ihrer Bilder, die sie bei den beiden vorangegangenen Terminen des Malkurses „Farben und Formen“ der Künstlerin Jutta Hansen-Paal gestaltet hat, als Wiederholungstäterin überführt. Doch letztlich spielt all das bei dem Angebot im Rahmen des Projekts „Demenzfreundliche Kommune Weinstadt“ auch gar keine Rolle. Schließlich geht es um das künstlerische Tun an sich.

Und dieses macht den demenzkranken Teilnehmerinnen ganz offensichtlich Riesenspaß – selbst jenen, die dem Angebot anfangs skeptisch gegenüber standen und sich den Umgang mit Pinsel und Farben selbst nicht zutrauten. Umso größer ist ihre Freude dann am fertigen Werk. „Das soll ich gemalt haben?“, fragt eine der Damen, nur wenige Minuten nachdem sie ihr Bild vollendet hat, Jutta Hansen-Paal erstaunt. „Ja, genau“, versichert ihr die Kursleiterin nochmals geduldig. „Wirklich?“, hakt die Dame zum wiederholten Male nach und stellt mit Distanz, als betrachte sie gerade das Werk von jemand anderem statt das eigene, fest: „Das ist richtig gut. Und das soll ich gemalt haben?“

Bewusst sei der Malkurs so angelegt, dass die einzelnen Termine thematisch nicht aufeinander aufbauten und unabhängig von einander besucht werden könnten, erläutert Hansen-Paal: „Man kann jederzeit neu einsteigen.“ Und auch, ob man das nächste Mal wieder mitmache, sei jedem selbst überlassen. Man müsse sich lediglich jeweils vorher anmelden.

Erfahrung im Umgang mit Betroffenen

Von der Stadt und der Großheppacher Schwesternschaft, die gemeinsam mit weiteren Partnern das Projekt „Demenzfreundliche Kommune“ organisiert haben, sei sie gefragt worden, ob sie einen Malkurs für Demenzkranke anbieten könne, berichtet Jutta Hansen-Paal. Die Künstlerin, die ein Atelier in Fellbach betreibt und dort auch Kurse gibt, sagte sofort zu. Zwar sei es das erste Mal für sie, dass sie Demenzkranke künstlerisch anleite, aber sie habe durch ihre Großmutter, die ebenfalls diese Krankheit hatte, Erfahrungen im Umgang mit Betroffenen. „Ich weiß, welche Gelassenheit es erfordert, wenn jemand fünfmal das Gleiche fragt, ihm auch das fünfte Mal noch zu antworten.“

Trotzdem sie durch ihre Oma sämtliche Stadien der Krankheit „hautnah erfahren“ habe, sei ihr vor dem ersten Termin „ein bisschen flau“ gewesen, gesteht die Künstlerin. Doch die Teilnehmerinnen hätten sie „freudig überrascht“. „Es ist faszinierend, was sie gemalt haben“, sagt Jutta Hansen-Paal. Jede der Damen habe ihren ganz eigenen charakteristischen Malstil. Von „ganz abstrakt bis hin zu komplett konkret“ reiche die Palette. „Eine Teilnehmerin ist beim nächsten Mal sogar zu mir gekommen und hat gesagt, sie habe sich überlegt, ihr Bild, das sie beim vorangegangenen Termin gemalt habe, sei noch nicht ganz fertig und sie wolle nun an diesem weiter arbeiten.“

Die Bilder sind voller Lebensfreude

Die Malthemen hat die studierte Künstlerin bewusst so gewählt, dass sie alte Erinnerungen wecken. Dieses Mal geht es um den Frühling. Zur Einstimmung hat Jutta Hansen-Paal ein Gedicht vorgelesen, das seine Wirkung nicht verfehlt hat. „Die Teilnehmerinnen haben sofort losgelegt.“ Einige von ihnen sind nach der Hälfte des zweistündigen Malkurses schon fix und fertig mit ihren Bildern. Blumenwiesen und Schmetterlinge haben sie gemalt. Bund und heiter sind sämtliche Werke – voller Lebensfreude.

Und lebhaft geht es auch während des Kurses zu. Eine der Teilnehmerinnen stimmt während des Malens ein Lied nach dem anderen an. „Von den blauen Bergen kommen wir“ und „Adelheid – schenk mir einen Gartenzwerg“ trällert sie auswendig und noch viele Volkslieder und Schlager mehr. Oftmals setzen die übrigen Damen mit ein und so schallt es dann beispielsweise vielstimmig aus dem Aufenthaltsraum: „Der Mai ist gekommen . . .“

Mit seligen Lächeln auf den Gesichtern verabschieden sich die Teilnehmerinnen schließlich von Jutta Hansen-Paal, versprechen alle, das nächste Mal wieder mitzumachen. Nur einer Dame kullern am Ende Tränen über die Wangen. Traurig sei sie, dass die Malstunde jetzt vorbei sei, erklärt sie. „Aber Sie können doch zum nächsten Termin wieder kommen“, tröstet Jutta Hansen-Paal die Dame und schon ist alle Traurigkeit vergessen.

Demenzfreundliche Kommune Weinstadt

Malkurs
: Die nächste Gelegenheit, um am Kurs „Farben und Formen – Malen mit Jutta Hansen-Paal“ teilzunehmen, bietet sich bereits am Mittwoch, 27. April. Zudem gibt es noch zwei weitere Termine im Herbst – und zwar am 21. und 28. September. Die Malstunden finden jeweils von 14.30 bis 16.30 Uhr im Wilhelmine-Canz-Zentrum, Grunbacher Straße 6 in Weinstadt- Großheppach, statt und können unabhängig voneinander besucht werden. Allerdings ist jeweils eine Anmeldung nötig unter der Telefonnummer 0 71 51/99 34-1 28.

Projekt:
Der Malkurs findet im Rahmen des Projekts „Demenzfreundliche Kommune Weinstadt“ statt, welches die Stadt Weinstadt, die Großheppacher Schwesternschaft, örtliche katholische und evangelische Kirchengemeinden, der Stadtseniorenrat, das Kommunale Kino und die Demenzfachberatung des Landkreises gemeinsam organisiert haben. Bis in den Oktober hinein gibt es diverse Veranstaltungen, darunter auch inklusive Angebote für Menschen mit und ohne Demenz, etwa „Bewegen nach Musik“ am 11. Mai mit der Tanzpädagogin Cornelia Staib.

Das ganze Programm unter www.grossheppacher-schwesternschaft.de/904.html