Die Menschenvögel mit Halbglatze sind Teil des Nuss’schen Tierlebens im Beutelsbacher Stiftskeller. Foto: Gottfried Stoppel

„Nuss’sches Tierleben“ heißt die Ausstellung, die zum 75. Geburtstag des Weinstädter Bildhauers Karl Ulrich Nuss bis zum 2. Mai im Beutelsbacher Stiftskeller zu sehen ist. Dort stehen 32 ausdrucksstarke Menschenviecher.

Weinstadt - Da sitzt sie mitten im gediegenen Beutelsbacher Stiftskeller, die Frau Schweinin mit klassischem Rüssel, wabbelnder Speckrolle am Bauch, die Menschenbeine samt Fuß und Zehen in allzu menschlicher und absolut untierischer Sitzhaltung weit von sich gestreckt. Die wohlgenährte Sau mit menschlichem Unterbau ist Teil der Ausstellung „Nuss’sches Tierleben“, die für drei Wochen im Stiftskeller zu sehen sein wird. Die Stadt hat den vor einigen Wochen gefeierten 75. Geburtstag des Weinstädter Bildhauers und Ehrenbürgers Karl Ulrich Nuss zum Anlass genommen, dem Mann der ungeschminkten Figürlichkeit in der guten Kellerstube der Kommune ein eigenes Kunstfest zu spendieren. Eines, das dieser mit 32 in den vergangenen drei Jahren entstandenen vermenschelten Viechern bevölkert hat – „paradoxalen Skulpturen“, wie es geheimnisvoll erklärend im Untertitel der Ausstellung im Stiftshofkeler heißt, deren feierliche Eröffnung Freitagabend über die Bühne gegangen ist. Da könne er sich so richtig austoben, sagt der 75-jährige Mann der Bronzeplastiken zu dem Schaffensbereich, dem er sich seit 2015 so richtig intensiv widmet: „Das Thema ist unerschöpflich.“

Kafkaeske Krabbelgestalten

Weil es für die Vögel mit menschlicher Halbglatze, die ihren langen Hals zwischen den Beinen hinters humane Hinterteil streckende Giraffe oder die zum Vollsprint ansetzende Löwenfrau zum einen der Interprationsmöglichkeiten so viele gebe und der Künstler erfahrungsgemäß ohnehin dem Betrachter überlasse, was er sich angesichts seiner Kunstwerke denken mag, hat auch Jörg Henning Kokott im Festvortrag auf eigene kunstkritische Ergüsse zu Einzelfiguren aus der Nuss’schen Tierwelt verzichtet. Das Gesamtthema sei da viel eher einige einordnende Worte wert. Denn:  „Es hat sie schon immer gegeben, die Zwitterwesen“, sagte Kokott, sie seien quasi ein Dauerbegleiter der Menschheitsgeschichte und der Kunst. Als Sphinx, dem Löwen mit Menschenkopf im ägyptischen Altertum, oder als menschlicher Stier Minotaurus in der griechische Mythologie. Im Werk von Hieronymus Bosch seien die Tier-Mensch-Wesen zu finden, oder bei René Magritte in Gestalt der quasi umgedrehten Meerjungfrau – mit Fischkopf und menschlichem Unterleib. Und die Krabbelgestalten Gregor I und Gregor II in der aktuellen Nuss’schen Menschtierwelt könnten natürlich ihre gedankliche Nähe zur Hauptperson in Franz Kafkas Erzählung „Die Verwandlung“ keinesfalls verleugnen.

Versuche, das unmögliche zu denken

Paradoxe Verbindungen seien es, die hier in den Werken auf eindrucksvolle Weise entstünden. Figuren, die der üblichen Denke widersprechen. Figürliche Zusammensetzungen, die es nicht geben kann. Die Nuss’sche paradoxalen Skulpturen, die Menschenviecher mit dem typischen Nuss’schen ungeschminktem Körperrealismus, so sagte der Kunstkritiker bei der besonderen Geburtstagsfeier für den Strümpfelbacher Meisterskulpteur, seien nicht weniger als „elegante Gedankenspiele im Raum des Unmöglichen“.

Der Künstler selbst hat bei der Eröffnung seiner Geburtstagsausstellung zwischen Büffelman, Schlangenvogel, Schlechse und dem leicht ans VfB-Maskottchen Fritzle erinnernden Groko-Men natürlich auch noch das Wort ergriffen. Gewohnt kurz und knackig. „Danke für neue Arbeitstage, danke für jeden freien Tag“, stimmte der Liebhaber klassischer Musik melodielos ein modernes Kirchenlied an, um eine klassiche Nuss’sche Pointe zu setzen: „Ich find’ des Liad zwar net guat, aber trotzdem danke.“