Adolf Bayer gehört zu den großen Winzern in Esslingen. Er weiß, wie man Reben schneidet. Jetzt gibt er sein Wissen weiter an Hobbygärtner, die Tafeltrauben anbauen.
Was habe ich nur getan? Dieser Ausruf kommt im Garten beim Schneiden von Tafeltrauben gar nicht so selten vor. Ein Schnitt – und ab ist ab. Zu viel geschnitten? An der falschen Stelle? Der Winzer Adolf Bayer aus Esslingen gibt Tipps, wie man richtig schneidet. Zunächst einmal: Zwischen dem Schneiden von Wein- und Tafeltrauben gibt es keine wesentlichen Unterschiede.
Der Rebstock und seine Einzelteile
Grundlage ist der Rebstock – das ist der meist knorrige Wurzelstock. Hier müssen die Hobbygärtnerin und der Hobbygärtner gar nichts tun. Aus dem Stock wachsen Ruten, von denen lediglich ein bis zwei stehen bleiben. Diese werden beispielsweise an einen Draht festgebunden.
Dabei müssen nicht die dicksten Ruten genommen werden. Im Gegenteil: Dünnere brechen weniger schnell beim Binden.
Im Weinberg werden die Ruten oft an einem Draht befestigt, aber Hobbygärtner, die nur wenige Weinstöcke pflegen, nutzen gerne ein Rankspalier oder lassen die Rebe an einer Wand oder einer Pergola wachsen. Bei Neupflanzungen sollte man sich vor dem Schnitt Gedanken machen über die gewünschte Wuchsform – und die Rebe entsprechend schneiden. Der Schnitt in den ersten Jahren dient der sogenannten Erziehung, wie man sie auch von jungen Obstbäumen kennt.
Erste Schritte beim Rebenschnitt
Geschnitten wird im ausgehenden Winter, häufig Februar und März. Daher es ist es jetzt höchste Zeit, die Gartenschere in die Hand zu nehmen, sollte noch nichts passiert sein. Um gleich die größten Ängste zu nehmen: „Falsch machen kann man fast nichts. Wein wächst wie Unkraut“, sagt Bayer. Und das heißt auch: Kräftige Schnitte im Winter schaden weniger, als manch einer im ersten Schreck denken mag, wenn er vermeintlich zu viel abgeschnitten zu haben.
Zurück zu den Ruten: Sie werden gekürzt. Bayer lässt etwa acht Augen stehen, aus denen Triebe nach oben wachsen. Sie werden später die Weinbeeren tragen. Dabei gilt: „Je weniger, umso besser die Qualität des Weins. Bei Tafeltrauben kann man aber getrost ein paar mehr Augen stehen lassen.“ Augen, das sind Knospen, kleine Kapseln. Hier entstehen im Frühling Blätter, Blüten oder weitere Triebe.
Fruchtholz biegen und binden
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Fruchtholz in eine Form zu bringen. Bayer bevorzugt den Stecker oder Flachbogen: Da wird die Rute horizontal gebogen. Bei einem Weinstock sieht das aus wie ein ausgestreckter Arm.
Eine andere Möglichkeit ist der Rundbogen – hier wird das Fruchtholz in die Form eines Torbogens gebracht. Es gibt auch noch die Möglichkeit, junge Triebe, die aus einem zum Flachbogen geformten Ast herauswachsen, stehen zu lassen. Allerdings sollten hier beim so genannten Zapfenschnitt nur zwei Augen bleiben – der Rest muss ab.
Bayer geht in seinem Weingut weniger auf Masse, sondern auf Qualität. Weniger ist in diesem Fall oft mehr. Wenn alles gut läuft, erntet er im Herbst 60 bis 80 Kilogramm Trauben pro Ar. Ein Ar hat hundert Quadratmeter. Seine Weinstöcke sind bereits alle bearbeitet, er kann jetzt erst einmal den Reben beim Wachsen zuschauen. In der Zwischenzeit hat er anderes zu tun: Es ist die Zeit, in der Wein des Vorjahres im Weinkeller gefiltert wird.