Die ersten Trauben in Esslingen sind reif für die Ernte – die Weinlese am Schenkenberg wurde am Donnerstag eingeläutet. Foto: Ines Rudel

Die Weinlese hat in manchem Esslinger Weinberg bereits begonnen. Geerntet werden die Trauben immer früher – auch aufgrund des Klimawandels, berichten die Weinbauern. So sind ihre Prognosen für den Jahrgang 2019:

Esslingen - Der Startschuss für die diesjährige Weinlese fiel bei Hans Kusterer am Donnerstag. „Wir ernten jetzt Spätburgunder und Chardonnay für die Sektgrundweine. Da muss man auf die Säure achten.“ Diese Trauben dürfen nicht zu viele Oechsle-Grad haben, um nicht zu viel Zucker, der später zu Alkohol wird, zu bilden. Daher werden sie frühzeitig geerntet. Von nächster Woche an will Kusterer mit seinen rund 15 Erntehelfern in seinen Weinbergen rund um den Schenkenberg und in der Neckarhalde den Trauben Zweigelt, Lemberger und Riesling mit der Rebschere zu Leibe rücken. „Insgesamt sieht es sehr gut aus. Wir sind absolut zufrieden bisher. Die Trockenheit in den letzten Tagen war perfekt. Die kühlen Nächte ebenso.“

Früher wurde vier Wochen später gelesen

In Sachen Trollinger sieht Kusterer das Glas trotz des Sonnenbrands, unter dem die Trauben litten, eher halb voll als halb leer. „Insgesamt ist das ein Trollinger-Ausfall von rund einem Drittel. Für unsere gesamte Produktion fällt das kaum ins Gewicht.“ Macht doch der Trollinger-Anteil auf Kusterers Weinanbau-Fläche von rund sechs Hektar gerade mal sieben Prozent der Gesamtproduktion aus.

Der Esslinger Wengerter ist mit seiner Lese früh dran, eine Entwicklung, die anhält. „Tendenziell geht es jedes Jahr früher los. 2018 war es extrem, das war die früheste Weinlese in unserer Geschichte. Da haben wir Ende August begonnen. Der Klimawandel lässt grüßen“, sagt der Weinbauer. Dafür gerüstet hat er sich seit Längerem. „Wir bauen mittlerweile schon seit mehr als 20 Jahren südeuropäische Trauben wie Merlot und Cabernet an. Die Frage ist nur, wie lange der Riesling und der Trollinger das veränderte Klima noch mitmachen“, so Kusterer.

In 30 Jahren kein Riesling und kein Dornfelder mehr

Auch sein Kollege Adolf Bayer konstatiert manchen Rebsorten in hiesigen Gefilden ein Ende: „In 30 bis 40 Jahren werden wir hier keinen Riesling und keinen Dornfelder mehr haben“, sagt Bayer. Auch er setzt mittlerweile unter anderem auf Trauben wie Shiraz und Cabernet, die die Hitze gewohnt sind. „Die Jungstöcke leiden allerdings unter der Trockenheit“, so der Esslinger Weinbauer mit Sitz in Esslingen-Rüdern. In der nächsten Woche beginnt auch er in seinen Weinbergen in Mettingen, in den Steillagen, in Rüdern und in Stuttgart-Hedelfingen – insgesamt sind es sieben Hektar Fläche – mit der Lese. Acolon, Dornfelder, Müller-Thurgau und Rivaner stehen da zuerst an. Auch für Bayer zählt der Säuregehalt mehr als die Oechsle. „Wenn man etwas früher liest, kann man das gut steuern. Dann wird der Wein nicht so alkoholreich.“ Nicht nur der Klimawandel, sondern auch ein veränderter Kundengeschmack mache sich bemerkbar. „Früher hat man auf stärkere Weine gesetzt. Heute wollen wir etwa 12 oder 13 Prozent Alkoholgehalt, mehr nicht“, so Bayer.

Auch Achim Jahn von den Weingärtnern Esslingen stellt den deutlich früheren Beginn der Weinlese fest. „Vor 35 Jahren haben wir vier Wochen später mit der Weinlese begonnen“, sagt der Vorstand der Esslinger Genossenschaft, die rund 65 aktive Wengerter vereint. Auch die Genossenschaft beginnt in den nächsten Tagen zu lesen, allerdings sieht man hier keinen Grund zur Eile. „Bei einer Begehung der Weinberge am Mittwoch hat sich gezeigt, dass alles sehr gut aussieht. Wir ernten, wenn alles reif ist.“ In den nächsten Tagen gehe es mit einer kleinen Lese los – allerdings nur für Traubensaft. „In 14 Tagen läuten wir dann voraussichtlich die richtige Weinlese ein, da beginnen wir mit Acolon und Dornfelder“, sagt Jahn.

Mögliche Qualitätssteigerung bei Weißweinen

Im Vergleich zum letzten Jahr rechnet er für die Esslinger Weißweine in diesem Jahr mit einer möglichen Qualitätssteigerung: „Die kühlen Nächte sind optimal für den Weißwein, die Witterung in diesem Jahr könnte den feinen Unterschied machen. 2018 war es schlicht zu heiß. Wir könnten in diesem Jahr noch fruchtigere Weißweine hinbekommen.“ Insgesamt ist sich Jahn sicher, dass die Ernte nicht so reichlich ausfallen wird wie im Ausnahmejahr 2018. „Mengenmäßig war das letzte Jahr überdurchschnittlich gut. Wir rechnen 2019 mit einem gesunden und problemlosen Jahrgang.“ Ganz genau wisse man das erst, wenn die Ernte eingefahren ist. „Etwa in zwei Monaten sind wir damit komplett durch.“

Die Stimmung unter den Esslingern Weinbauern ist insgesamt sehr gut. Bayer, Jahn und Kusterer sind zufrieden und erwarten einen guten, gesunden Jahrgang. „Ich denke, es gibt einen tollen Herbst“, fasst es Bayer zusammen. Für ihn entscheidend sind jedoch noch die nächsten vier Wochen. Ende September will Bayer mit der Lese der späten Sorten wie etwa Samtrot und Trollinger beginnen. „Wenn es so bleibt, werden es tolle Weine“, prophezeit er. Viel passieren kann jedoch wohl nicht mehr. Das Wetter bleibt laut Vorhersage moderat und dürfte den Weinbauern in die Hände spielen.