Horst Klingler analysiert Weine in seinem Weinlabor in Waiblingen-Neustadt Foto: /Gottfried Stoppel

Die Weinlese ist weitgehend beendet. Mit wenig Menge, aber guten Qualitäten, sagt der Waiblinger Weinanalyst Horst Klingler. Probleme gab es vor allem bei den Naturweinen.

Er hat es schon Ende Juli vorhergesagt, der Chef im Weinlabor Klingler in Waiblingen-Neustadt. Im Rundschreiben an alle Weinmacher warnte Horst Klingler, in dessen Labor so ziemlich jeder, der in der regionalen Weinszene und darüber hinaus Rang und Namen hat, seine Tropfen analysieren lässt. „Trotz zum Teil kühler und regnerischen Traubenblüte war wohl der letzte Blütetag wie im vergangenen Jahr – je nach Rebsorte – um den 15. Juni. Durch das viele vorhandene Wasser war das Beerenwachstum ungewöhnlich rasant, sodass der Traubenschluss bereits nach 20 bis 22 Tagen erfolgte. Selbst die nachgetriebenen frostgeschädigten Trauben hinken nicht unbedingt hinterher. Von der Blüte bis zur Ernte wird sich die Vegetationsperiode auf etwa 80 bis 85 Tage einpendeln.“

 

Exakte Vorhersage eingetroffen

Die Vorhersage sei exakt so eingetroffen, sagte Klinger jetzt in der letzten Lesewoche zufrieden. Und auch die zusätzliche Warnung aus dem Juli hätten die Wengerter und Genossenschaften weitgehend beherzigt: „Die Traubengesundheit wird durch die vermehrt aufgetretene Peronospora und eventuell durch Mehltau beeinflusst, sodass man schon bei der Lese selektiv arbeiten sollte. Wegen des vielen vorrätigen Wassers könnte auch Botrytis in der Reife eine Rolle spielen.“ Trotzdem werde teils – auch das hat sich bewahrheitet – der Lesestart schon Anfang September sein.

Soweit so gut, aber was ist am Ende rausgekommen beim von Frost, Mehltau und zum Schluss partiell auch von der Kirschessigfliege gebeutelten Jahrgang 2024? Eine eher bescheidene Menge, bestätigt hier letztlich Klinger das, was die meisten Wengerter in der Region auch schon während der Lese berichtet hatten. „Das hat ursprünglich nach mehr ausgesehen.“ Was da bei im Einzelfall auch abweichenden Minderertrag um die 20 Prozent dann in die Keller gekommen ist, das sei aber von erfreulich guter Qualität.

Der Ausschlag nach unten, so der Weinanalyst, liege diesmal im Bereich der Naturweine: „Da sind einige ziemlich auf die Schnauze gefallen.“ Wenig Alkohol, dafür hohe Werte bei flüchtiger Säure. „Ob das die Zukunft ist, das lassen wir mal dahingestellt sein.“ Die Verbraucher verlangten eher nach einfach trinkbaren Weinen, nicht nach solchen, bei denen geschmacklich erst „etwas reininterpretiert werden muss“. Zudem seien diese Naturprodukte vergleichsweise teuer, da lasse der Weinmarkt derzeit wenig zu. Schließlich werde – auch europaweit – immer weniger Wein getrunken.

Müller-Thurgau, Kerner und Sauvignon blanc als Gewinner

„Müller-Thurgau, Kerner und Sauvignon, das sind die Gewinner“, sagt Horst Klingler zu positiven Aspekten beim vorläufigen Lesefazit. Vor allem beim „Müller“ habe er durchgängig, egal von welchem Produzenten, ausschließlich „ganz tolle Sachen“ zur Analyse geliefert bekommen. Die Sauvignon blancs präsentierten sich sehr komplex, mit grünen und gelben Aromatönen. Und schön ausgeprägte Aromen deuteten sich auch bei den Bukettsorten wie etwa Muskattrollinger an: „Das macht viel Spaß.“

Im Weißweinbereich sei man 2024 zumeist nicht um die Zugabe von Säure herumgekommen. So ein bis eineinhalb Gramm pro Liter habe da zur Stabilisierung der Werte zugesetzt werden müssen. „Die pH-Werte waren grundsätzlich gut“, so Klingler, aber je länger die Trauben im Wengert hingen, umso mehr habe sich die Säure reduziert. Angesichts eines insgesamt nicht allzu hohen Mostgewichts sei teils zur Chaptalisierung gegriffen worden, zur Anreicherung mit einer gewissen Menge Zucker. Maßnahmen zur Sicherung des pH-Wertes habe es auch dort gegeben, wo sich die Kirschessigfliege bemerkbar gemacht habe.

Das Lesefenster war knapp bemessen

Kurz war mit gut 80 Tagen beim Jahrgang 2024 nicht nur die Vegetationsperiode, auch das sogenannte Lesefenster war mit rund fünf Wochen knapp bemessen. „Da muss man auch mal die Vollernter loben“, sagt Horst Klingler. Die hätten in diesem Herbst viel dazu beigetragen, dass das Lesegut rechtzeitig und in guter Qualität eingebracht werden konnte – zumindest so weit die betreffenden Weingüter zuvor selektioniert, sprich vorgelesen haben. „Wenn der Vollernter ohne Negativlese vorausfährt, dann wird es ein Problem.“ Lesegeschwindigkeit und die stark gestiegenen Personalkosten seien da in einer Situation, wo extremes Tempo gefragt ist, für die einzelnen Betriebe ganz entscheidende Größen.

Dies gelte vor allem in einem Jahr wie diesem, in dem – ähnlich wie im Vorjahr – ab einem gewissen Punkt plötzlich alle Sorten zugleich reif werden und alles am besten sofort gelesen sein müsste. Eine weitere Besonderheit des 2024er: Von Ende der ersten Oktoberwoche an sei keinerlei Zuwachs beim Mostgewicht mehr zu verzeichnen gewesen. Da habe es beim restlichen Cabernet und Riesling eigentlich nur noch ein Motto gegeben: „Ronder damit.“