In der Nähe des Weinguts Beykush am Schwarzen Meer wird immer wieder scharf geschossen. Foto: Beykush Winery

Dass es im Krieg auch Alltag gibt, ist kaum vorstellbar. Dass in der seit zwei Jahren umkämpften Ukraine weiterhin Wein hergestellt wird, noch viel weniger. Die Beykush Winery liefert sogar ganz hervorragende Tropfen, findet unsere Testerin Kathrin Haasis.

Von der Ukraine kommen hierzulande fast nur Kriegsnachrichten an. Auf der diesjährigen Düsseldorfer Messe Pro Wein konnten die Besucher ein anderes Bild von dem von Russland bedrängten Land erhalten: Die Ukraine sei „ein längst verloren geglaubtes Weinland, reif für die Wiederentdeckung“, findet nämlich Svitlana Tsybak. Sie ist die Chefin von der 2021 gegründeten Ukrainian Association of Craft Winemakers und bei der Messe dabei. Die 72 Mitgliedsbetriebe wollen den Westeuropäern ihren Wein schmackhaft machen und im eigenen Land für Qualitätsstandards sorgen. Außerdem hilft der Verband dabei, vom Krieg zerstörte Weingüter wieder aufzubauen und Weinberge nach russischer Besetzung von Minen zu befreien.

 

Neue Handelswege über Estland eröffnet

Seit 2500 Jahren wird am Schwarzen Meer und seit dem 14. Jahrhundert in Transkarpatien im Südwesten der Ukraine Wein angebaut. Auf rund 40 000 Hektar wachsen 180 verschiedene Sorten. Die Flaschen direkt aus ihrer Heimat nach Westeuropa zu verschiffen „ist ein Albtraum“, erklärt jedoch Svitlana Tsybak. Deshalb gründete sie mit Händlern in Estland das Joint Venture Wines from Ukraine, die im Onlineshop getätigte Bestellung kommt innerhalb von drei Tagen in Stuttgart an. Hippe Naturweine vom 2019 bei Kiew gegründeten Weingut Biologist sind dort unter anderem zu haben. Sergiy Stakhovsky, früher bester Tennisspieler des Landes, startete einen Betrieb in den Karpaten, nachdem er für eine Mannschaft in Bordeaux gespielt hatte: Ace nennt er seinen gehaltvollen Rotwein aus dem Barrique.

Nah dran an der Front ist das Weingut Beykush am Schwarzen Meer. Seit Beginn des Krieges werde dort scharf geschossen, berichtet Svitlana Tsybak, die auch dort die Geschäfte führt, „zum Glück wurden wir nicht getroffen“. Auf elf Hektar werden in Strandnähe internationale Sorten, aber auch autochthone Reben kultiviert. Mir hat es besonders der vielschichtige Weiße Telti-Kuruk angetan, der nach Zitronengras, Pfirsich und Birne duftet, am Gaumen würzig wird und einen langen, mineralischen Abgang bietet. Er eröffnet eine momentan noch ganz unbekannte und vielversprechende Seite der Ukraine.

Das Urteil der Weinrunde: 

Holger Gayer Was für eine Geschichte, was für ein Wein! Er ist frisch, animierend und hat einen tollen Aromenmix von Birne bis Zitronengras.

Michael Weier Meine Skepsis gegenüber osteuropäischem Wein ist mit einem Schlag weg! Unglaublich vielschichtig ist dieser Wein, eine fantastische Erfahrung.

Harald Beck Ein wirklich interessanter Wein. Der verdient es definitiv, nicht nur aus kriegsbedingt solidarischen Gründen getrunken zu werden.

Telti Kuruk, 20,99 Euro, Beykush Winery, Chornomorka, Ukraine, www.beykushwinery.com. Zu kaufen bei winesfromukraine.com