Der Gastronom Joachim Speißer (links) und sein Vater Heinrich auf dem Weingütle an einem historischen Weinbauort bei Roßwälden Foto: Ines Rudel

Das Weingütle der Speißers ist so ziemlich das einzige im Kreis und bietet ein traumhaftes Alb-Panorama.

Ebersbach - Wenn ein Gewann Wengert heißt, dann muss darauf eigentlich auch Weinbau betrieben werden. So ähnlich hat es sich wohl auch Heinrich Speißer gedacht, als er vor neun Jahren auf dem geerbten Stückle in eben jenem Gewann wieder Reben gepflanzt hat. Zuvor, sagt der 69-Jährige, habe er sich Trauben liefern lassen müssen, um seinen eigenen Wein ausbauen zu können. Und das Thema Wein biete sich natürlich auch an, ergänzt Sohn und Wengertkompagnion Joachim, wenn man die Weinstube zum Bäckerhaus in Roßwälden betreibt. „Hier ist mein Paradies“, schwärmt derweil der Senior droben am so ziemlich einzigen Weingütle im Kreis Göppingen, direkt an der Markungsgrenze zwischen Roßwälden und Schlierbach – und mit tatsächlich paradiesischem Alb-Panorama.

Fachlicher Rat kommt aus dem Remstlal

In fünf akkuraten Reihen stehen dort 140 Rebstöcke der pilzwiderständigen Sorte Regent und ein paar Reben der Sorte Roter Muskat. Die hat der Hobby-Wengerter im Remstal-Weinort Schnait geholt und sich bei der Auswahl vom erfahrenen Rebveredler Hans Wahler beraten lassen. Aus dem Remstal kommt auch sonst Rat und Tat für den familiären Weinbau in Roßwälden. Ein Freund sei Wengerter in Grunbach berichtet Heiner Speißer, außerdem sei er öfter in Schnait in den Weinbergen unterwegs und unterhalte sich mit de alten Wengertern dort – „da kann man viel lernen“.

Die Weinbautradition in Roßwälden und dem benachbarten Schlierbach sei vor einiger Zeit Thema bei einem Weinabend im Bäckerhaus gewesen, berichtet Joachim Speißer. Der 31-Jährige betreibt Weinstube und Café zusammen mit seiner Frau Priska, Schwester Christina und deren Gatten Markus Eberhardinger, dem vor Jahresfrist von der Stuttgarter Speisemeisterei ins Beggahaus gewechselten Sternekoch .

In Schlierbach erinnert laut der Ortschronik noch der Flurname „Beim Kelterle“ an jene Zeiten des Weinbaus in diesem Teil der Voralb. Nachgewiesen ist unter anderem der Neuanbau von Weinreben entlang jener Markungsgrenze zwischen Schlierbach und Roßwälden anno 1686. Um 1712 wurden gleich zwei Keltern gebaut. Die eine stand zu zwei Dritteln auf Schlierbacher und zum restlichen Drittel auf Roßwälder Markung. Die zweite entstand weiter in Richtung Schlierbach – eben „beim Kelterle“.

Frost und Reblaus machen dem Weinbau den Garaus

Angepflanzt wuren damals nur wenige Sorten wie Gutedel, Clevner (heute Frühburgunder) oder Traminer, so die Ortsannalen. Zur Qualität heißt es dort recht vielsagend: „Der Wein wuchs rauh, aber haltbar und gab oft heitere Gemüter.“ Es sei wohl ein rechter „Semsakrebsler“ gewesen, den die Altvorderen da produziert haben, vermuten die Speißers. Da seien heute noch Sprüche erhalten wie der vom vergossenen Heimatwein: „Tropft er auf Lederstiefel, sind das nachher Sandalen.“ Das Ende der Weinherrlichkeit kam irgendwann Mitte des 19. Jahrhunderts – teils hatte offenbar Frost und mangelnder Ertrag dazu beigetragen, teils möglicherweise auch die Reblaus.

Mit derlei Widrigkeiten haben heutzutage die Roßwälder Wengerter nicht zu kämpfen. 120 Liter hat die bereits vollzogene Weinlese heuer ergeben – und ein sehr anständiges Mostgewicht von 90 Grad Öchsle. Die Lese sei immer ein besonderes Fest, berichtet Heiner Speißer. „Da haben wir schon 52 Paar Weißwürste gebraucht, weil so viele mitgemacht haben.“ Und wenn der selbst ausgebaute 2018er Regent abfüllbereit ist, kommt er in Bordeaux-Flaschen, und wird mit Glaskorken versehen – ganz professionell ausgestattet für den Eigenverbrauch und als Geschenk. Aber wenn ein echter Weinfreund im Beggahaus danach fragt, dann wird auch dort ausnahmsweise Mal ein Viertele vom Roßwälder ausgeschenkt.