Die Weinlese ist in Stuttgart und der Region in vollem Gang. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Die Weinlese in der Stadt ist in vollem Gange. Was ist in diesem Jahr von den Winzern zu erwarten?

Stuttgart - Es liegt Nebel über Bad Cannstatt. Vom Weingut der Stadt Stuttgart hat man eigentlich einen guten Überblick über die Landeshauptstadt, heute ist er eher getrübt. Ignoriert man Gaskessel und Kraftwerk und konzentriert sich nur auf die Weinreben, könnte man meinen, man sei weit draußen. Timo Saier, Leiter des städtischen Weinguts, ist zwar nicht so schwer zu erreichen wie der Papst, aber in diesen Tagen kaum zu bekommen. Er steckt wie viele andere Winzer mitten in der Traubenlese.

Extreme Wetterbedingungen bringen prägnante Weine hervor

Seit Ende September ist das Team um Saier mit der Ernte beschäftigt. Saier ist erst seit diesem Sommer Leiter des Weinguts und möchte sich bei seinem ersten Jahrgang auf das Wesentliche konzentrieren. So sollen die Weine trockener werden und eine Struktur in das Sortiment gebracht werden. „Wir haben tolles Material“, sagt Saier. Ähnlich klingt es bei Martin Kurrle, geschäftsführender Vorstand beim Collegium Wirtemberg: „Eine Traube ist schöner als die andere, das freut uns .“

Auch Hans-Peter Wöhrwag vom gleichnamigen Weingut ist schwer beschäftigt, er steckt gerade mitten in der Spätburgunderlese. Der Rotwein hat Mitte vergangener Woche einen Wert von 100 Oechsle erreicht, was in seinen Augen optimal für seinen Spätburgunder sei und eine hohe Qualität verspreche. Er ist voller Optimismus für seine acht verschiedenen Sorten. Der Jahrgang 2016 werde sicher ein spannender Jahrgang mit prägnanten Weinen, was allen voran an den extremen Wetterbedingungen in diesem Jahr liegt: das feuchte Frühjahr, der trockene Sommer und der schon fast historische Herbst.

Vorraussichtlich wird der Ertrag höher als im Vorjahr

Direkt neben der Arbeitsstätte von Timo Saier liegt das Weinfactum Bad Cannstatt. Für dessen Kellermeister Thomas Zerweck passen Qualität und Quantität seiner Weine. In diesem Jahr sei die Ertragsmenge höher, qualitativ würde es ein durchschnittlich guter Jahrgang. Hans-Peter Wöhrwag rechnet in Sachen Ertrag ebenfalls mit einem größeren Jahrgang im Vergleich zum vergangenen Jahr, in dem nur sehr wenig geerntet werden konnte. „Ich schätze fast 25 Prozent mehr könnte es schon sein“. Die Trauben sind größer, der Ertrag entsprechend ebenfalls.

Probleme mit der Kirschessigfliege gab es in Stuttgart offenbar weniger. Sie hätten frühzeitig reagiert und gespritzt, so Saier. „Probleme hatten wir keine“, sagt auch Hans-Peter Wöhrwag. Sie seien gut von Weinbauberater Siegfried Hundinger vom Amt für Landwirtschaft beraten worden. Anders sieht es beim Collegium aus, dort gab es einen Befall durch die Kirschessigfliege. Man reagierte umgehend: Die befallenen Trauben seien abgeerntet und auf den Boden fallen gelassen worden. Die guten Trauben der Rebsorte hingegen seien gelesen und in den Keller gebracht worden.

Städtisches Weingut hat einen Orange-Wein neu im Sortiment

Neu im Sortiment des Weinguts der Stadt ist ein trockener Spätburgundersekt, der vollständig im Haus hergestellt werden und in Richtung eines Champagners gehen soll. Dazu kommt außerdem ein Orange-Wein auf Basis eines Rieslings. Der Name kommt von der ins Orange gehenden Farbe. Rechtliche Vorgaben gibt es für diesen jungen Weinstil nicht, es geht vor allem um Neugierde und das Ausprobieren von Neuem. Gemein haben diese Weine aber eines: Basis sind Weißweintrauben, die durch das Verfahren der Maischegärung laufen, was eigentlich Rotweintrauben vorbehalten ist. So soll ein spezieller Wein entstehen, der neue Aromen bietet und durch das Maischeverfahren geschmacklich nicht so berechenbar wird. „Es ist eine Lücke, die wir damit bedienen, etwas Spezielles“, sagt Saier. Neues ist bei Weinfactum Bad Cannstatt nicht geplant, dafür liefere man lieber durchweg gute Produkte, so Kellermeister Zerweck.

Beim Collegium gibt es wieder einen Eiswein, das Sortiment bleibt unverändert: „Wir wollen das, für was man uns schätzt, jedes Jahr noch besser machen“, sagt Martin Kurrle.