Plaudern beim Weindorf: Turnerin Elisabeth Seitz, Moderator Axel Graser, City-Manager Sven Hahn (von links). Foto: Lichtgut

Er ist wieder da. Der Weindorf-Treff von Stuttgarter Nachrichten und SWR. Der Auftakt war ein Gedicht. Und es schwebte ein Hauch von Woodstock über den Lauben.

Stuttgart - Die Hippies hatten keinen Trollinger. Aber eine Idee, wie sich Regen vertreiben lasse. „No Rain!“ riefen sie im Chor, damals in Woodstock vor 50 Jahren, als dunkle Wolken nahten. Die Moderatoren Axel Graser und Tom Hörner waren zu jener Zeit schon auf der Welt, am Donnerstag überführten sie die Beschwörung in die schwäbische Neuzeit. „Koin Rega! Koin Rega!“ ließen sie das Publikum in der Laube Ox auf dem Schillerplatz skandieren. Ob sich der Regen davon abschrecken ließ? Oder ob es die Gedichte waren, die Graser und Hörner vortrugen? Graser rezitierte immerhin Rilkes „Herbsttag“, Hörner dichtete selbst:

„Koks, Heroin und Ecstasy, das setzt mir zu, das macht mich hie, doch kein Stoff macht mich platt wie er, der Trollinger, der Trollinger!"

Star-Turner haben nach ihnen benannte Elemente erfunden

Als Poet wird er sich so keinen Namen machen. Anders als die Weltklasse-Turner Elisabeth Seitz (25), und Marcel Nguyen (31). Die haben sich bereits verewigt. Nicht nur in den Listen der Medaillengewinner bei Olympischen Spielen, Weltmeisterschaften und Deutschen Meisterschaften. Nein, sie haben Turnelemente erfunden, die nun nach ihnen heißen. Ein Konkurrent kann nun also am Barren einen Nguyen turnen, oder am Stufenbarren einen Seitz.

Selbst turnen sie ihre Kreationen allerdings selten. Zu schwierig seien sie, zu wenig Punkte gebe es leider dafür, sagen sie. Aber ein Stückchen Turn-Geschichte haben sie damit geschrieben. Zurzeit allerdings haben sie andere Ziele. Am 4. Oktober beginnt in Stuttgart die Turn-WM. Und der Alltag bis dahin? Seitz: „Trainieren, schlafen, essen, Physiotherapie.“ Nguyen war ja bereits 2007 bei der Turn-WM in Stuttgart dabei, holte mit der Mannschaft Bronze und schwärmt von dem „grandiosen Erlebnis“.

Kugelstoßer dürfen nicht, sondern müssen essen.

Damit es neuerlich ein Erfolg wird, müssen sie Honig einpacken. Der ist unverzichtbar, sagt Seitz. Ob Tanne, Raps oder Akazie, ist egal. Hauptsache klebrig. Damit die Hände nicht von den Holmen rutschen. „Erst mache die Holmen des Barrens mit Wasser nass, dann kommt Honig drauf, dann Magnesium“, sagt Seitz. Noch die Hände damit zupappen, dann kann es losgehen. Es ist kein Zufall, dass der Honig am Gerät landet und nicht im Bauch. Alles zu essen und zu trinken ist im Ernährungsplan nicht vorgesehen. Derzeit gibt es keinen Alkohol, beim Weindorf gibt es da keine Ausnahme. Auch wenn Nguyen gesteht, er esse auch „mal Pizza, Nudeln und so Zeug“. Und Seitz für Mousse au Chocolat mal eine Ausnahme macht. Sven Hahn (39) kennt das von seiner Sportlerkarriere ganz anders. Der frühere Journalist unserer Zeitung und neue Stuttgarter City-Manager war einer der besten deutschen Kugelstoßer „und musste essen“. Man braucht nämlich Gewicht, um die 7,26 Kilo schwere Kugel knapp 20 Meter weit zu stoßen. Wer jetzt denkt, klasse, da kann ich futtern, was ich will, sollte bedenken, man muss ganz schön ochsen, um die Kalorien in Muckis und in Meter zu verwandeln. Und eine gewisse Größe sollte man auch haben. Hahn misst 2,02 Meter. Was beim Kugelstoßen von Vorteil, im Flugzeug von Nachteil ist. Auf dem Rückflug von den studentischen Weltspielen suchte er einen einigermaßen erträglichen Platz. Die Stewardess winkte denn auch die „Großen auf die Sitze beim Notausgang“. Da kann man nämlich die Beine ausstrecken. Hahn wollte sich schon setzen, als er merkte: „Da waren auch die Basketballer und Volleyballer an Bord.“ Und die sind noch ein Stückchen größer. Am Ende „saß ich dann hinten bei den Kleinen“.

Bloß kein Frustshopping während der WM

Entbehrungen gehören also dazu für Sportler. Aber man lernt auch, „hartnäckig zu sein, zielstrebig und aufgeschlossen“, sagt Hahn. Alles Dinge, die er als City-Manager gut brauchen kann. Will er doch die Menschen überzeugen, nicht nur via Internet einzukaufen, sondern auch in der Innenstadt. Denn eine Stadt ist nur lebendig, wenn „Menschen in die Stadt kommen“. Seitz muss er davon nicht überzeugen. Auf die Frage, ob sie gerne einkaufen gehe, sagt sie nur: „Ich bin eine Frau!“ Auch Nguyen kauft gerne Klamotten in Stuttgart. Während der WM wäre ein Einkaufsbummel aber ein schlechtes Zeichen. Nguyen: „Wenn ich da einkaufe, dann ist es Frustshopping, weil es nicht läuft.“ Sven Hahn würde ihm eine zehntägige Konsumpause sicher verzeihen. Aber sollte Nguyen noch Honig brauchen, kann er den ja in der Markthalle kaufen.