800 Jahre lang wurden an der Hohen Halde Weinbau betrieben. Foto: Horst Rudel

Die Genossenschaft will den Steilhang bewirtschaften, aber nur mit Unterstützung der Stadt.

Rohracker - Die Forderung der Weingärtner aus Rohracker ist nicht neu, aber nun erfährt sie durch einen gemeinsamen Antrag der SPD- und der Grünen-Gemeinderatsfraktion neuen Aufwind: Es geht um die Hohe Halde, die älteste beurkundete Weinbaulage im Stadtteil und gleichzeitig ein gesetzlich geschütztes Biotop. 800 Jahre lang wurde dort Weinbau betrieben, heute sind nur noch drei Parzellen mit Reben bepflanzt. Ein Großteil der übrigen Grundstücke verwildert zusehends oder wird als Schafweide genutzt.

Die Weingärtnergenossenschaft würde die Hohe Halde, den Steilhang am Ortsausgang in Richtung Frauenkopf, gerne wieder bewirtschaften, aber nur mit kommunaler Unterstützung. „Mich schmerzt die völlig ungenutzte Fläche“, sagt Markus Wegst von der Genossenschaft. Rückendeckung bekommen die Weingärtner jetzt durch einen Antrag von SPD und Grünen.

Die SPD hat sich auch schon in der Vergangenheit für eine Reaktivierung der Steillage eingesetzt. Im Jahr 2010 hatte sie bereits einen entsprechenden Antrag gestellt. In dem Antwortschreiben der Verwaltung, auf das die Fraktion laut eigener Aussage rund eineinhalb Jahre warten musste, hieß es jedoch: Die Hohe Halde sei zwar als Kulturlandschaft wichtig, eine Wiederbewirtschaftung durch den Weinbau aber zu aufwendig. Das Gebiet solle deshalb in die normale Landschaftspflege übergehen.

Bei einer reinen Pflegenutzung wäre die Artenvielfalt vielleicht noch höher

Laut SPD-Stadtrat Manfred Kanzleiter ist die Verwaltung bei ihrer Begründung aber von falschen Voraussetzungen, und zwar von einem Umbau der historischen Mauerstruktur, ausgegangen. Eine solche Maximalforderung stellt die Weingärtnergenossenschaft jedoch überhaupt nicht. „Die Trockenmauern sollen bleiben“, betont Wegst. In Rohracker gebe es ohnehin keine flurbereinigten Flächen. „Wir sind daran gewöhnt“, sagt der Wengerter. Um die Beeinträchtigung für die Natur so gering wie möglich zu halten, wollen die Mitglieder der Weingärtnergenossenschaft pilztolerante Sorten pflanzen und in unmittelbarer Nähe der Trockenmauern ganz auf Unkrautbekämpfungsmittel verzichten. Die Stadt hat bereits vor einigen Jahren damit begonnen, die Grundstücke an der Hohen Halde Stück für Stück aufzukaufen. Bereits rund ein Drittel der Fläche ist inzwischen in kommunalem Besitz. Die Wengerter würden diese Grundstücke jetzt gerne pachten.

Laut Kanzleiter wäre das die beste Lösung. Der SPD-Stadtrat räumt zwar ein, dass bei einer reinen Pflegenutzung die Artenvielfalt vielleicht noch höher wäre. In diesem Gebiet gehe es aber nicht allein um die Interessen des Naturschutzes, sondern auch um die Erhaltung einer Jahrhunderte alten Kulturlandschaft, die insbesondere durch den Weinbau geprägt sei.

Außerdem wäre auch die Nutzung der Fläche als reines Biotop für die Stadt mit Aufwand verbunden. Damit dort Insekten und Reptilien leben können, muss das Gras regelmäßig gemäht werden, sonst droht – wie bereits an einigen Stellen zu beobachten – Verwilderung und Verbuschung. Die Pflegemaßnahmen seien sehr aufwendig und würden oft nicht gemacht, sagt Kanzleiter. Hinzu kommt, dass einige Grundstücke als Schafweiden genutzt werden. Die Tiere haben Spuren hinterlassen. Bei dem Versuch, von einem Rasenstück zum nächsten zu gelangen, haben sie die Trockenmauern an vielen Stellen eingetreten. Eine Entwicklung, die nicht nur wegen der Zerstörung der historischen Mauerstruktur bedenklich ist, sondern auch, weil die Mauern Lebensraum für Kleinsttiere sind. SPD und Grüne fordern deshalb, dass gemeinsam mit den Weingärtnern ein Konzept entwickelt wird, wie die Hohe Halde wieder für den Weinbau genutzt werden kann. Das Thema soll noch im Herbst auf die Tagesordnung des Ausschusses für Wirtschaft und Wohnen gesetzt werden.

Weinberge in Rohracker als Ausgleichsmaßnahme für Stuttgart 21

Damit an der Hohen Halde aber überhaupt wieder in größerem Umfang Weinbau betrieben werden kann, müssen laut Genossenschaft zunächst die Trockenmauern gerichtet werden. Zudem fordern die Weingärtner, dass ein Fußweg, der etwa auf halber Höhe des Steilhangs verläuft, zum Fahrweg ausgebaut wird. Er würde in der Rosengartenstraße auf dem Frauenkopf enden. Die Wengerter müssten dann nicht mehr alle Geräte zu Fuß in den Weinberg hinein und die geernteten Trauben wieder hinaus tragen. Auf die Stadt würden also zusätzliche Kosten zukommen.

In ihrem Antrag zeigen SPD und Grüne aber bereits mögliche Finanzierungswege auf. Zum einen weisen die Fraktionen darauf hin, dass die Stadt beantragt hat, die Weinberge in Rohracker in die Ausgleichsmaßnahmen für Stuttgart 21 einzubeziehen. Zum anderen sprechen sie ein vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren an. Dieses werde bereits andernorts umgesetzt und beinhalte nur die Wegeerschließung und nicht die Beseitigung der Trockenmauern. Ein solches Verfahren hätte den Vorteil, dass die Flurbereinigung Sache des Landes ist. Die Stadt müsste also nicht für die Finanzierung aufkommen.