Die feuchte Witterung macht den Reben, wie hier in Stetten, schwer zu schaffen. Foto: Horst Rudel

Frost im Frühjahr, danach Hagel, und im Juli und August eine Art Pflanzenschutz-Wettlauf beim Kampf gegen Echten und Falschen Mehltau: den Weinmachern wird in diesem Jahr fast nichts erspart. Trotzdem sind vor der Lese im Remstal alle vorsichtig optimistisch.

Kernen/Fellbach - „Was ist in diesem Jahr schon normal?“, kontert der Stettener Wengerter Wolfgang Haidle spontan die Frage nach der Lage in den heimischen Weinbergen mit einer vielsagenden Gegenfrage. Frost im Frühjahr, später gebietsweise Hagel – und die Lage aktuell, die fasst er in einem knackigen und natürlich leicht augenzwinkernden, gesellschaftsökologischen Vergleich fürs gesamtkomplizierte Jahr 2021 zusammen: „Bei den Menschen Corona, bei den Reben Peronospora.“ Und trotzdem, sagt der Mann mit diversen Jahrzehnten Weinbergerfahrung, bestehe im Keller – bei gewissen Einbußen – die Chance auf gute Qualitäten. Zumindest dort, wo handwerklich sorgfältig geschafft werde. Seine Einschätzung: „Im Remstal sind wir bisher noch ganz glimpflich davon gekommen.“

Rund 20 Prozent Einbußen in Württemberg

Tatsächlich zeigt sich die Lage in den Weinbergen des Landes durchaus unterschiedlich. Peter Wohlfahrth, Geschäftsführer des Badischen Weinbauverbands sagt: „Wir haben mit der Peronospora-Infektion zu kämpfen. Der Pilzbefall ist in diesem Jahr außergewöhnlich hoch. Im Vergleich zu anderen Jahren ist auffällig, dass nicht nur Blätter, sondern insbesondere die Trauben befallen sind.“ Im Anbaugebiet Württemberg sorgten Frostschäden im April und feuchte Witterung insgesamt für einen Ausfall von mindestens 20 Prozent, schätzt der Geschäftsführer des Weinbauverbands Württemberg, Hermann Morast. In einigen besonders hart betroffenen Lagen, etwa im Unterland, könne es sogar Totalausfälle geben.

Lesen Sie aus unserem Angebot: Zwei Grad kühler und deutlich zu nass

In Fellbach ist man derweil in einem Weinjahr, das offenkundig alles zu bieten hat, was an Herausforderungen möglich ist, ganz guten Mutes. „Wir haben auf die großen Herausforderungen reagiert“, sagt Fritz Benz für die Fellbacher Weingärtner. Deshalb sei man am Kappelberg vielleicht ein bisschen besser weggekommen als einige der Weinbaukollegen rundum. Allerdings bleibe nach wie vor eine zusätzliche Unwägbarkeit: inwieweit die Kirschessigfliege als weiterer Schädling bis zur Lese noch eine Rolle spielen wird, das sei momentan noch nicht so richtig absehbar.

Die Lese startet so spät wie früher üblich

„2021 ist ein anspruchsvolles Jahr vor allem für den Pflanzenschutz“, konstatiert dazu der Fellbacher Kellermeister Tobias Single. Vor allem die Konstellation mit echtem und falschem Mehltau sei ökologisch ohne Erfahrung nur schwer zu beherrschen. Ein kleiner Lichtblick in Sachen Essigfliegen: „Bisher sind noch keine Mücklein in den Fallen.“ Ganz entscheidend sei jetzt das Wetter in den kommenden vier bis acht Wochen. Die planerische Perspektive in Fellbach: zum „Tag der offenen Tür“ in knapp zwei Wochen soll es den ersten neuen Wein geben. Die Hauptlese werde aber frühestens zwischen dem 15. und 20. September beginnen.

„Kein leichtes Jahr“, signalisiert derweil Christoph Klopfer telefonisch vom Kurzurlaub an der Nordsee. Speziell für die biologisch wirtschaftenden Betriebe sei der Pflanzenschutz unter den gegebenen Bedingungen „sehr herausfordernd“, sagt der Weinstädter Weinmacher. „So ein Jahr braucht man nicht, aber da trennt sich die Spreu vom Weizen.“ Da sei nur mit guter Handarbeit viel Qualität rauszuholen. Große Mengen erwartet der Großheppacher Wengerter nicht vom Jahrgang 2021, „aber die Qualität, die kann man sich noch erarbeiten.“

Das bestätigt in Korb auch Jens Zimmerle kurz vor der entscheidenden Endphase eines Weinbaujahres, in dem es unter anderem wegen des Auftretens so ziemlich aller nur möglichen Infektionen „schier unmöglich war, alle Schäden zu vermeiden“. Aber: „Wir sind jetzt überm Berg. Was übrig ist, sieht gut aus.“ Jens Zimmerle rechnet insgesamt, eben auch wegen der Frost- und Hagelschäden, mit Einbußen von 30 bis 35 Prozent in der Menge. Da sei die Bilanz auch lokal extrem unterschiedlich – von gesundem Bestand bis zum annähernden Totalausfall. Auch er rechnet damit, dass die Lese im Remstal nicht vor dem 20. September beginnt – „so wie früher“. Längere Reifezeit und spätere Lese hätten aber auch im Sinne intensiven Aromas durchaus ihre Vorteile.

Häufige Rebkrankheiten

Peronospora
 Als Folge des Befalls mit dem Falschen Mehltau bilden sich auf den Blättern gelbe, durchscheinende Flecken, die sich schließlich braun färben. Das Blatt stirbt ab. Zudem tritt ein weißer Pilzrasen auf den Blattunterseiten auf. Auch die Trauben können vom Schimmel befallen werden. Die Infektion erfolgt über Pilzsporen vom Boden, feucht-warme Witterungsverhältnisse fördern die Ausbreitung des Pilzes.

Oidium
 Beim Echten Mehltau zeigen die Blätter sowohl oben als auch unten einen weißen, mehligen Belag, dieser findet sich dann auch an den Trauben. Die Blätter fallen schließlich ab und die Früchte vertrocknen. Dabei platzen die Trauben auf und legen die Kerne frei.

Botrytis
 Der Grauschimmel beeinträchtigt Qualität und Menge der Ernte. Ein hohes Infektionsrisiko besteht bei feuchten Witterungsverhältnissen. Bei frühem Befall von Beerenstielen fallen die Trauben schon vor der Lese ab. Bei einem Befall von lesereifen Trauben erhält man eine Edelfäule – aus solchen Trauben können hohe Qualitäten produziert werden.