Was tun, wenn die Steillagen nicht mehr bewirtschaftet werden? Foto: Gottfried Stoppel

Die Vorschläge für die Nutzung brach liegender Weinberge reichen vom Solarpark bis zur Blühwiese. Der Rems-Murr-Kreis sieht ein Drittel der aktuell genutzten Flächen bedroht.

Abgesägte Rebstöcke, brombeerüberwucherte Terrassen: Dass der Weinbau vor allem in den schwer zu bewirtschaftenden Steillagen in einer tiefen Krise steckt, ist auch im Remstal nicht mehr zu übersehen. Weil sich die schweißtreibende Arbeit nicht mehr lohnt, droht fast ein Drittel der traditionell mit „Vitis vinifera“ bepflanzten Flächen wegzufallen – mit verheerenden Folgen fürs Landschaftsbild und auch für die touristischen Reize.

 

Solarparks im Weinberg funktionieren nur mit einem Stromkabel

Mit der Zahl der aufgegebenen Rebhänge werden auch die Fragen lauter, was sich mit den verwilderten Rebhängen anstellen lässt. Produzieren könnten die in aller Regel zur Sonne hin ausgerichteten Weinberge schließlich nicht nur gute Tropfen, sondern schlicht auch Energie. Die Nutzung brach liegender Steillagen als Standort für die Photovoltaik ist vor allem im Heilbronner Unterland ein viel diskutiertes Thema – schließlich ist mit dem mit Hilfe der Sonne erzeugten Strom zweifelsohne mehr verdient als mit dem immer mehr zum Draufleg-Geschäft verkommenden Weinbau.

In manchen Weinbergen entstehen bereits Solarkraftwerke. Foto: IMAGO/imagebroker/Larisa Blinova

Der Haken an der Solarzellen-Idee ist, dass es mit verstreut liegenden Anlagen von Balkonkraftwerk-Größe in den allermeisten Fällen nicht getan sein dürfte. Damit sich die Stromproduktion auch lohnt, müssten sich Wengerter oder mit einem Pachtvertrag einsteigende Investoren erst einmal an den Leitungsbau machen. Das wiederum rechnet sich nur, wenn die Photovoltaik in den Weinbergen auch die Dimensionen eines veritablen Solarparks erreichen.

Solar im Weinberg –Noch attraktiv für Touristen?

Die Vorstellung allerdings, dass sich etwa im auch touristisch attraktiven Remstal zusammenhängende Flächen von der Größe mehrerer Fußballfelder in einen glitzernden Spiegel verwandeln, schreckt nicht nur Wengerter. Auch Zeitgenossen, denen schon ein Windrad in der Landschaft ein Dorn im Auge ist, dürften sich mit einer Solarpark-Nutzung wenig anfreunden können.

Der Winterbacher Vorzeige-Wengerter Felix Ellwanger, seit gut einem Jahr der Präsident des Verbands der Prädikatsweingüter in Württemberg, hat den Gedanken an mehrere Hektar große Photovoltaik-Kollektoren jüngst in einem Interview als „absolut abwegig“ bezeichnet – auch wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen aus Sicht des Waiblinger Landratsamts keine unüberwindbare Hürde darstellen. Um so mehr stellt sich auch für die Kreisbehörde die Frage, welche nachhaltige Nutzung auf brach liegenden Rebflächen möglich ist, wenn sich niemand mehr für ein Nasenwasser den Buckel krumm machen will. Beim von Landrat Richard Sigel initiierten Runden Tisch zur Zukunft des Weinbaus war jetzt neben dem Thema Mindestpflege auch die Nutzung von Weinbergen als Bienenroute im Gespräch.

Bienen als Lösung: Neue Ansätze für brachliegende Weinberge

Jochen Schäufele, Leiter des Umweltschutzamts, erläuterte die Vorteile von Blühbrachen und Blühstreifen im Weinbau. Bernhard Willi vom Verein bienformatik stellte das Evaluationsprojekt „Bienenroute“ vor, das Weingärtnern praxisnahe Werkzeuge zur besseren Nutzung von Brachflächen bieten will. Eine freiwillige Umfrage im Rems-Murr-Kreis soll weitere Erkenntnisse zur aktuellen Situation von nicht mehr bewirtschafteten Rebflächen liefern. Grundstückseigentümer können in Frage kommende Weinberge bis Ende März melden.

Einen innovativen Ansatz hat auch Jakob Hörl von der Universität Hohenheim im Gepäck. Er präsentiert das „Vitiforst“-Projekt, das Agroforstsysteme im Weinbau erproben will. Durch die Pflanzung von Bäumen auf Weinbauflächen soll sowohl der Klimaschutz gestärkt als auch die Biodiversität gefördert werden. Ebenfalls ein Thema: Die lokale Kundschaft durch gezielte Vermarktung wieder auf den Geschmack für Wein aus dem Remstal zu bringen – damit das Kulturgut auch dauerhaft erhalten bleiben kann.