Als junge Frau kletterte Margarete Dittmann zur Reparatur auf hohe Leitungen. Foto: Rilling

Margarete Dittmann hat im Haus am Lindenbachsee ihren 100. Geburtstag gefeiert.

Weilimdorf - An ihre Kindheit in Pommern erinnert sich Margarete Dittmann geborene Pieper auch an ihrem 100. Geburtstag gern, den sie am Samstag in der Altenwohnanlage Haus am Lindenbachsee in Weilimdorf gefeiert hat: Sie war das Nesthäkchen in der Familie, das von der Mutter besonders verwöhnt wurde. Doch mit 16 Jahren war sie bereits Waise. Vom Vormund wurde sie zu einer Familie im Nachbarort als Hausmädchen vermittelt. Dort lernte Margarete Dittmann auch ihren ersten Mann Emil Wolter kennen. 1932 wurde das Paar in Berlin getraut. Eine Tochter kam zur Welt: Helga. 1942 verlor der Ehemann und Vater sein Leben als Soldat in Russland, das Glück der Familie war zerstört.

Margarete Dittmann überlebte mit der Tochter die Bombenangriffe der Alliierten auf Berlin. Die 12-jährige, sehr tierliebe Helga war – kurz bevor Russen auch in ihr Haus kamen – von einem Hund ins Gesicht gebissen worden, den sie hatte streicheln wollen. Blutüberströmt saß das Mädchen auf dem Schoß ihrer Mutter, die Russen sahen es und ließen die beiden unbehelligt, während andere Frauen im Haus mitgenommen wurden. Helga Klebs geht davon aus, dass die schwere Verletzung das Mitleid der Soldaten geweckt hatte und die Mutter wohl vor einer Vergewaltigung bewahrt hatte, wie das viele Berlinerinnen in dieser Zeit nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches erleben mussten.

In der Ruinenlandschaft des zerstörten Berlins war Margarete Dittmann Trümmerfrau, half mit, die Gebäude zu räumen, den Mörtel der Ziegelsteine abzuklopfen, um sie wieder verwenden zu können. Eines Tages habe sie ein älterer Herr angesprochen, die Arbeit sei doch zu schwer für sie, ob sie sich vielleicht beim Fernmelde-Bauamt bewerben wolle. Was ungewöhnlich war: Margarete Dittmann wurde dort nicht Sekretärin oder „Fräulein vom Amt“, sondern arbeitete in einem Kreis von lauter Männern als Fernmeldetechnikerin. 1959 wurde sie Beamtin. Ein Bild zeigt sie inmitten ihrer Kollegen. Margarete Dittmann schaut es immer wieder gern an. „Sie haben mich alle respektiert“, berichtet die Jubilarin „Sie waren kollegial, freundlich und hilfsbereit.“ Und sie sei im Arbeitsoverall zur Reparatur von Leitungen auf hohe Masten geklettert wie alle anderen. Helga Klebs: „Meine Mutter war auch stolz darauf, dass sie das gleiche Gehalt bekam wie die männlichen Kollegen.“

Von Berlin nach Korntal

An einen Einsatz erinnert sich Margarete Dittmann besonders gut. Sie verlegte mit einem Kollegen bei Victor de Kowa in dessen Villa in Berlin-Charlottenburg die Telefonleitung. Die Frau des bekannten und beliebten Schauspielers habe sie freundlich mit Kaffee und Kuchen bewirtet.

An eine zweite Heirat dachte Margarete Dittman zunächst nicht, zu stark war die Erinnerung an die glückliche Zeit mit ihrem ersten Ehemann. Doch 1960 schloss sie eine neue Ehe mit Bernd Dittmann in Berlin. Dieser war Witwer, er hatte seine Frau und seine beiden Zwillinge bei einem Bombenangriff verloren. Bis zum 62. Lebensjahr war Margarete Dittmann bei der Deutschen Bundespost in Berlin tätig. Vor zwei Jahren zog sie von ihrer Wohnung in Berlin in die Altenwohnanlage Haus am Lindenbachsee, um näher bei der in Korntal lebenden Tochter Helga Klebs zu sein.

Zur Familie gehört auch der Enkelsohn Michael und die beiden Urenkel Michael und Thomas. Zum 100. Geburtstag von Margarete Dittmann gratulierte gestern auch Bürgermeister Werner Wölfle, der die Glückwünsche von Oberbürgermeister Fritz Kuhn und Ministerpräsident Winfried Kretschmann überbrachte.