Andrang und Erregung sind im Gemeindesaal von St. Franziskus groß gewesen. Foto: Rudel

Bei der Versammlung der St.-Franziskus-Gemeinde in Weilheim sollte es auch um die Zukunft nach dem Amtsverzicht von Hermann Ehrensperger gehen. Doch der Abend lief dann vollkommen aus dem Ruder.

Weilheim - Die erste Chance, nach den Querelen um den Pfarrer Hermann Ehrensperger einen gemeinsamen Weg in die Zukunft einzuschlagen, ist vertan. Die Versammlung der Weilheimer St.-Franziskus-Gemeinde am Donnerstagabend erinnerte nicht an ein Versöhnungstreffen, sondern eher an eine mittelalterliche Hexenjagd. Rund 250 Anhänger des im Oktober beurlaubten Pfarrers der Gemeinde, der nun – wie in unserer Freitagausgabe berichtet – seinen Amtsverzicht verkündet hat, standen unversöhnlich den sich deutlich in der Minderheit befindenden Kritikern Ehrenspergers und den Vertretern der Diözese Rottenburg-Stuttgart gegenüber.

Tiefer Spalt quer durch die Gemeinde

Diese waren nicht nur nach Weilheim gekommen, um die Gemeinde über den Rückzug Ehrenspergers zu informieren. Eigentlich wollte der Domkapitular Paul Hildebrand der Gemeinde auch Wege aufzeigen, wie sie den tiefen Spalt, der durch den Streit um Ehrensperger entstanden ist, wieder schließen kann. Doch obwohl der Anwalt Thorsten Zebisch im Namen von Ehrensperger an die Gemeindemitglieder gleich zu Beginn ein- und nachdrücklich appellierte, die Vergangenheit ruhen zu lassen und den „großen Wunsch“ Ehrenspergers formulierte, den von ihm mitverursachten Streit zu beenden, geriet die Versammlung zur Stunde der Abrechnung. Dabei war das Alte Testament mit seiner Botschaft „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ allgegenwärtig. Am Ende der hoch emotional geführten zweieinhalbstündigen Diskussion gab es – mit Ausnahme von Zebisch und dem Kirchheimer Pfarrer Franz Keil, der in seinen Eingangsworten den der Gemeinde den Namen gebenden Friedensstifter Franziskus beschwor – nur Verlierer.

Ehrensperger hat mittlerweile eingeräumt und es ausdrücklich bedauert, dass er vor rund zehn Jahren mit minderjährigen Jugendlichen einen pornografischen Film angeschaut hat. Darüber hinaus – auch das räumt er ein – hat er sich dienstrechtlich mehrere Verfehlungen zu Schulden kommen lassen. Dennoch halten seine Anhänger ihn nach wie vor für das unschuldige Opfer der persönlichen Kampagne eines einzelnen Kirchengemeinderats. Nicht Ehrensperger, so wetterten sie am Donnerstag, sei Schuld an der Misere, sondern der „Ketzer“ und „Denuntiant“, der den Pfarrer „beim Kaffeeklatsch“ mit Journalisten angeschwärzt habe. „Heimtückisch“ habe er sich das Vertrauen des Pfarrers erschlichen, um dann dessen Ruf „in den Dreck“ zu ziehen. Das sei Mobbing. Der Gegner, so ein anderer Redner, „soll dahin abhauen, wo er hergekommen ist“.

„Wie ein räudiger Hund aus dem Amt gejagt“

Jetzt sei Ehrensperger auch noch von der Diözese Rottenburg-Stuttgart „wie ein räudiger Hund aus dem Haus gejagt worden“, bemängelte ein anderer Redner. Es sei unerträglich, dass Ehrensperger nun zusätzlich noch bestraft werden solle. Der Bischof Gebhard Fürst hat dem Pfarrer einen Verweis erteilt. Er darf zunächst nur als pastoraler Mitarbeiter arbeiten und muss drei Jahre lang 20 Prozent seines Nettolohns abgeben. Vielmehr solle die Kirche ihm eine „würdevolle Verabschiedung“ aus Weilheim ermöglichen.

Auch an dem Abend, an dem Ehrensperger minderjährigen Jugendlichen zumindest in Ausschnitten einen Pornofilm gezeigt hat, können viele Weilheimer Katholiken offenbar nichts Verwerfliches finden. Die Behauptung einer jungen Frau, dass jeder Jugendliche doch schon solche Filme gesehen habe, blieb unwidersprochen. Zudem sei der Vorfall in ihren Augen ja schon fast verjährt. Dem hielt der Justitiar der Diözese, Norbert Reuhs, entgegen, dass es nach solchen Vorfällen oft „sehr, sehr, sehr lange dauert, bis sich jemand öffnet“. Oft brauche man auch einen Impuls von außen, um seine Erlebnisse schildern zu können.

Aber auch die Vertreter der Diözese hinterließen an diesem Abend keinen überzeugenden Eindruck. Die Frage, warum der Bischof Gebhard Fürst bisher nicht mit Hermann Ehrensperger gesprochen habe, beantwortete Paul Hildebrand mit dem Hinweis, der Bischof könne sich ja nicht um alle seine 1700 Mitarbeiter persönlich kümmern. Kirchenhierarchisch korrekt sei der Fall deshalb vom zuständigen Dekanat untersucht worden. Zudem blieb der Esslinger Dekan Paul Magino eine schlüssige Antwort darauf schuldig, warum er Briefe, die ihm Ministranten überreicht hatten, nicht wie von diesen gewünscht, an den Bischof weitergeleitet hat.

Kirchengemeinderat soll zurücktreten

Ein Weg aus der Krise, so machten verschiedene Redner deutlich, könne es sein, wenn der gesamte Kirchengemeinderat von St. Franziskus die Konsequenzen aus der aktuellen Situation ziehen würde und geschlossen zurückträte. Nur dann gebe es die Chance für einen Neubeginn. Der scheint nach dieser Veranstaltung aber in sehr weiter Ferne. Die Suche nach einem Nachfolger für Ehrensperger dürfte sich ausgesprochen schwierig gestalten.