Vom Zahn der Zeit gezeichnet, aber in der Substanz immer noch robust zeigt sich Stefan Jäcks neuestes Sammelobjekt. Foto: Horst Rudel

Ein Bestattungsunternehmer aus Weilheim möchte unter die Restauratoren gehen. Sein Ziel ist es, eine 104 Jahre alte Leichenkutsche gehörig aufzupolieren.

Weilheim - Stefan Jäck ist Bestatter und Sammler. Beides hängt miteinander zusammen, denn mit dem Ableben eines Menschen verlieren persönliche Dinge oft ihren Wert – und stehen zur Disposition. Zudem umfasst das Bestattungswesen einen weiten Bereich, der vom Handwerk des Sargbauers bis hin zu den Insignien der Pietät reicht. Und so hat Jäck in einer Vitrine Bestattungsmütze und Zylinder, eine Tasche mit Utensilien der früher dem Bestatter obliegenden Leichenbeschau sowie etliche Gerätschaften des Sargschreiners versammelt. Aus dem eigenen Familienbesitz stammt ein gebundenes Neues Testament, das Brandspuren aufweist. Die Spuren gehen auf einen Fliegerangriff im Zweiten Weltkrieg zurück, von dem auch die Wohnung von Stefan Jäcks Großeltern in Böblingen betroffen war.

Doch jetzt ist die Sammlung um ein Objekt bereichert worden, das in keine Vitrine passt. Es handelt sich um eine originale Leichenkutsche aus dem Jahr 1912, die zuerst in Weilheim und dann ab Mitte der 1960er-Jahre in Neidlingen ihren Dienst versah, ehe auch im oberen Lindachtal die Motorisierung auf dem Leichentransportsektor Einzug hielt.

Ein mehrjähriges Restaurationsprojekt

Nach längerem Dornröschenschlaf in einer Scheuer ist das reich verzierte Gefährt jetzt über Umwege in den Besitz von Stefan Jäck gekommen. Er will den vom Zahn der Zeit zwar gezeichneten, aber in der Substanz immer noch rüstigen Veteranen, dem weiteren Niedergang entreißen und der Nachwelt erhalten. Dabei setzt der 47-Jährige der von professioneller Restauratorenseite veranschlagten Kostenschätzung von 15 000 bis 20 000 Euro seinen langen Atem gegenüber: „Das wird ein Programm über mehrere Jahre !“

So ganz auf fachmännischen Beistand muss Jäck freilich nicht verzichten. Eine Freundin, die Kirchheimer Restauratorin Sabine Christ, hat ihn in einer Art Grundlehrgang zu höchster methodischer Sensibilität vergattert: Nicht der Dampfstrahler sei das passende Instrument, um der Staub- und Schmutzpatina zu Leibe zu rücken, sondern Zahnbürste und Wattestäbchen. Denn sonst könnte die Haftschicht für das diskret verteilte Blattgold und -silber leiden.

Zartgefühl ist auch beim sogenannten Zierbehang, der mit seinen geklöppelten Trauersymbolen die Ladefläche wie bei einem Himmelbett umfasst, geboten. Recht robust wirken dagegen die gedrechselten Säulen, die das lederbezogene Holzdach der Kutsche stützen. Und auch die hölzernen Speichenräder mit ihren aufgezogenen Eisenreifen haben die Zeiten bis dato relativ gut überdauert. Recht nostalgisch mutet in heutiger Zeit auch die Drehkurbel neben dem Kutscherbock an, über sie wurde gemickt, sprich: gebremst.

Der Hersteller ist leider nicht bekannt

Die Kutsche, deren Hersteller laut Jäck leider nicht bekannt ist, soll anno 1912 der Stadt Weilheim von Jakobine Mühlhäuser vom Pfundhardthof gestiftet worden sein. Gemäß Stiftungsurkunde, die Stefan Jäck beim Stadtarchiv hat einsehen können, wurde der Wert des Wagens seinerzeit auf 1000 Mark beziffert. Weiter wird als Wunsch der Stifterin unter anderem festgehalten, dass innerorts der Sargtransport nicht mehr als zwei Mark ausmachen darf. Bei Fahrten darüber hinaus, so heißt es, möge man die Kosten „mäßig berechnen“.

Ohne den Beitrag des Bauern und Fuhrunternehmers Eberhard Deininger wäre freilich der Start ins pietätvolle Kutschenzeitalter unter der Limburg seinerzeit nicht möglich gewesen. Er stellte nämlich die Gäule, die beim Sargtransport einen dunklen Überwurf tragen mussten. Im Städtle selbst hieß man ihn deshalb nur den „Himmelskutscher“.

Der Weilheimer Helmut Mühlhäuser, dessen Großvater ein Bruder der Stifterin war, weiß noch von einem besonderen Einsatz der Kutsche, der heutzutag recht aktuell erscheint: Bei einer Bauerndemo in Kirchheim gegen den galoppierenden Preisverfall und wohl als eindrückliches Sinnbild eines sterbenden Berufsstandes habe man den Trauerwagen per Schlepper im Protestzug mitgeführt.