Eigentlich hätte das Schullandheim im Herbst des vergangenen Jahres wieder geöffnet werden sollen. Foto: Ines Rudel

Obwohl das Haus frisch renoviert ist, bleiben die Türen des Schullandheims Lichteneck bis auf weiteres geschlossen. Der Landkreis Esslingen, dem die Einrichtung am Albtrauf gehört, findet kein Personal.

Weilheim - Die Botschaft von Max, dem Bergmolch, verhallt ungehört. „Liebe Kinder, seid herzlich willkommen. Schön, dass ihr uns besuchen kommt“, ist dem Symboltier auf einer Infotafel an der Hauswand des Schullandheims Lichteneck plakativ in den Mund gelegt. Die Kinder, die Max im Namen der versammelten Tierwelt am Albtrauf so herzlich willkommen heißt, kommen nicht. Heute nicht, und morgen auch nicht. Das Schullandheim, das der Landkreis Esslingen in idyllischer Hanglage oberhalb des Weilheimer Teilorts Hepsisau in Eigenregie betreibt, wird seine Tore in absehbarer Zeit nicht öffnen.

„Wir können derzeit nicht sagen, wann das Haus wieder in Betrieb geht“, bestätigt Peter Keck, der Pressesprecher der Landkreisverwaltung Esslingen. Eigentlich hätte das beliebte Schullandheim im Herbst des vergangenen Jahres wieder geöffnet werden sollen, nachdem es in den Monaten zuvor mit einem Aufwand von rund 200 000 Euro saniert und brandschutztechnisch auf den neuesten Stand gebracht worden war.

Dem Landkreis ist das Personal abhanden gekommen

Am baulichen Zustand der im Jahr 1935 fertiggestellten und seither ständig renovierten und ausgebauten Anlage liegt es nicht, dass der Wunschtermin verstrichen und ein neuer Öffnungstermin in weiter Ferne liegt. Dem Landkreis war in der Zwischenzeit schlichtweg das Personal abhandengekommen, das für die Aufrechterhaltung eines 24-Stunden-Betriebs benötigt wird – sei es durch Krankheit, sei es durch Versetzungen.

Zum Bruch im Schullandheimbetrieb war es im Jahr 2016 gekommen. Unter dem Druck, die dem Landkreis zugewiesenen Flüchtlinge unterzubringen, ist das Haus zweckentfremdet worden. Die 30 Wohnplätze sind unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingenzur Verfügung gestellt worden. Mit der Betreuung der durch Krieg und Verfolgung heimatlos gewordenen Jugendlichen ist die Stiftung Tragwerk Kirchheim beauftragt worden, die dafür auch ihr eigenes Personal mitgebracht hat. „Unser Personal ist im Zuge des Trägerwechsels in andere Bereiche versetzt worden“, sagt Keck.

Änderung der Betriebsform im Gespräch

Jetzt lässt sich die Uhr nicht mehr so einfach zurückdrehen. „Wir haben keine Heimleitung mehr, die den Betrieb sicherstellen könnte“, sagt Keck. Weil sich daran so schnell nichts ändern wird, überlegt die Verwaltung, ob eine Änderung der Betriebsform Abhilfe schaffen könnte. So ist laut Landkreissprecher Keck nicht mehr ausgeschlossen, dass der Betrieb künftig durch externes Personal sichergestellt wird. Selbst falls das grundsätzlich entschieden wäre, müssten die Herbergseltern auf dem freien Markt erst noch gefunden werden. Auch ist Kecks Worten zufolge noch nicht geklärt, ob eine Änderung der Betriebsform in den Bereich des Verwaltungshandelns fällt, oder ob der Kultur- und Schulausschuss des Kreistags ein Mitspracherecht hat.

Bevor die Flüchtlinge kamen, hatten im Jahr rund 10 000 Gäste die Vorzüge des Hauses genossen. Mit einem Zweidrittelanteil stellten die Schulen das Gros der Übernachtungen. An den Wochenenden nutzen Sport- und Musikgruppen die Immobilie am Albrand, um gemeinsam in aller Abgeschiedenheit Hobby und Kameradschaft zu pflegen.

Wechselvolle Geschichte

Das Schullandheim blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Dem „Stahlhelmbund der Frontsoldaten“, der im Jahr 1929 mit dem Bau begonnen hatte, war das Geld ausgegangen, kaum dass die Grundmauern standen. Die Bauruine gelangte an die Standortgemeinde, die das Grundstück im Jahr 1934 der NSDAP schenkte. Ein Jahr später fertiggestellt, diente das Haus als Erholungsheim für die Hitlerjugend. Im Mai 1945 wurde die Einrichtung von der US-Militärregierung als Parteivermögen beschlagnahmt, dann aber wieder der Gemeinde zurückgegeben. Vom Evangelischen Jungmännerwerk genutzt, hat das Haus unter anderem den damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss zu Gast gehabt.

Im Jahr 1955 dann erwarb der Landkreis Nürtingen das Heim, das in der Folge regelmäßig Schulklassen mit Großstadtkindern aus Berlin zur Sommerfrische zu Besuch hatte. Zum Dank für die Luftveränderung, die der damals noch eigenständige Landkreis Nürtingen den bleichen Großstadtpflanzen hat angedeihen lassen hat, hat der Berliner Senat eine Kreuzberger Schule auf den Namen „Nürtingen-Schule“ getauft.