Trotz hervorragender Ausbildung haben junge Pflegekräfte in der Heimat oft nur Aushilfsjobs. Krankenhäuser gehen deshalb auf Werbetour. Foto: dpa

Der wachsende Mangel an qualifizierten Krankenpflegern lässt die Personalchefs deutscher Kliniken auf Südeuropa aus- weichen: Ludwigsburg holt 31 Spanier, Böblingen wirbt in Italien und Portugal.

Stuttgart - Es steht nicht zu befürchten, dass die Krankenschwestern im Ludwigsburger Klinikum ihre Patienten beim Weckruf am Morgen künftig mit einem fröhlichen „Buenos Dias“ begrüßen. Und das Küchenteam wird statt leckerer Tapas wohl auch weiterhin salzarm zubereitete Krankenhauskost servieren. Dennoch bricht für den Klinikenverbund Ludwigsburg-Bietigheim nächsten Mittwoch eine „spanische Ära“ an.

Pünktlich um 9.30 Uhr wird die Medizindirektorin Andrea Grebe im Konferenzraum an der Erlachhofstraße mehr als 30 neue Pflegekräfte von der Iberischen Halbinsel begrüßen. Nach einem ambitionierten Sprachkurs sollen die hoch qualifizierten neuen Mitarbeiter den eklatanten Personalmangel in der Intensivmedizin in den drei Häusern in Ludwigsburg, Bietigheim und Neuenbürg beheben – olé im OP sozusagen.

„Fachkräfte für Intensivstationen und den OP-Bereich sind in Deutschland fast nicht zu finden, der Markt ist leer gefegt“, erklärt der Kliniken-Sprecher Alexander Tsongas den für ein schwäbisches Spital bisher noch eher ungewöhnlichen Schritt. Weil bei der Suche nach qualifiziertem Personal allerdings weder regionale Berufsmessen noch die Werbeaktionen in angrenzenden Bundesländern erfolgreich waren, wichen die Stellenbesetzer des Kliniken-Verbunds nach Südeuropa aus. Auf die in Spanien geschalteten Anzeigen für OP-Pflegekräfte meldeten sich binnen weniger Tage zahl-reiche Bewerber, mit 60 Kandidaten führten die Personalchefs ein Vorstellungsgespräch.

Parallel zum Deutschlernen sind Arbeitspraktika in den Krankenhäusern vorgesehen

Ergebnis ist, dass bereits nächste Woche mehr als 30 spanische Pflegekräfte ihren Dienst in Ludwigsburg antreten. Bevor die neuen Mitarbeiter – bis auf wenige Aus-nahmen handelt es sich um junge Frauen – auf die Tochterkliniken verteilt werden, steht ein je nach Vorkenntnissen zwischen vier und sechs Monaten dauernder Intensivsprachkurs auf dem Lehrplan. Parallel zum Deutschlernen sind Arbeitspraktika in den Krankenhäusern vorgesehen. Für das erste halbe Jahr sind die neuen Pflegekräfte mit einem Praktikantenvertrag ausgestattet. Nach der Probezeit winkt ein unbefristeter Arbeitsvertrag – schließlich hofft die Chefetage des Kliniken-Verbunds, dass die neuen Mitarbeiter aus dem Süden im kalten Deutschland nicht gleich das Weite suchen.

Gespart ist durch die Personalwerbung im Ausland übrigens nichts: Die Pflegekräfte aus Südeuropa werden laut Alexander Tsongas nach Tariflohn bezahlt, im Vergleich zur deutschen Krankenschwester bekommt ihre spanische Kollegin keinen Cent weniger. Ohnehin schwärmt der Kliniken-Sprecher über den hohen Ausbildungsstand der künftigen OP-Helfer. „Wir haben uns auch deshalb für Spanien entschieden, weil die fachliche Qualifikation mit vier Jahren Lehrzeit den deutschen Anforderungen sehr, sehr nahe kommt“, betont er. Allein in den fünf Krankenhäusern im Landkreis Ludwigsburg arbeiten fast 1130 Pflegekräfte, im ganzen Kliniken-Verbund sind es 2763 Köpfe. Neu besetzt werden mussten im Jahr 2011 immerhin 138 Stellen – kurieren können die spanischen Helfer die Personalnot nicht.

Manche Kliniken versuchen den Fachkräftemangel bereits mit Kopfprämien für gut ausgebildete Pfleger zu beheben

Mit der Suche nach Pflegekräften in Südeuropa steht der Ludwigsburger Krankenhaus-Bund nicht allein. Bundesweit werden schon ohne Seniorenheime mehr als 3000 offene Stellen gezählt, manche Kliniken versuchen den Fachkräftemangel bereits mit Kopfprämien für gut ausgebildete Pfleger zu beheben. Als Vorreiter für die Personalwerbung in Spanien gilt das Uniklinikum in Erlangen, das schon im Juli die ersten 27 Pflegekräfte von der Iberischen Halbinsel eingestellt hat. Eine der neuen Krankenschwestern, Francisca Lopez Tomasety, erklärte beim Dienstantritt, weshalb sie lieber in der Fremde nach einem festen Job sucht, als sich in der Heimat zwischen Aushilfstätigkeit und Arbeitslosigkeit zu bewegen: „In den letzten fünf Jahren habe ich unterm Strich 29 Monate gearbeitet – mal für eine Woche, mal für drei Monate“, berichtete sie. Und auch ihre Kollegin Luz Maria Ramos weiß, wie sich eine Arbeitslosenquote von 46,6 Prozent bei jungen Leuten auswirkt: „Sie rufen dich morgens an, dass du abends arbeiten kannst“, erzählte sie über den Berufsalltag im krisengeschüttelten Spanien.

Die Fühler nach Portugal und Italien hat wegen des dramatisch verschärften Fachkräftemangels der Klinikverbund Südwest in Böblingen ausgestreckt – 21 neue Pfleger aus den beiden Ländern pauken fleißig Deutsch. Auch in ihnen sieht Personalchef Roland Ott alles andere als Billiglohn-Konkurrenz: „Der Ausbildungsstand ist durch das mehrjährige Studium mit gutem Praxisbezug überdurchschnittlich und absolut mit Deutschland vergleichbar“, sagt er. Die Böblinger Geschäftsführerin Elke Frank befürchtet, dass sich die Personalnot in den Kliniken noch zuspitzt. Bereits jetzt sind jährlich über 100 Stellen neu zu besetzen.