Michael Gutwein misst mit dem Pulvio Ott den Niederschlag. Foto: Leif Piechowski

Seit Mai muss der Deutsche Wetterdienst in Stuttgart ohne die Daten der Neckartalstation auskommen. Die EnBW, auf deren Gelände die Station betrieben wurde, baut dort Parkplätze. Damit das Wetter am Neckar nicht länger ausfällt, sucht der Wetterdienst ein neues Gelände samt Wetterfrosch.

Stuttgart - Die Wetterstation im Neckartal gibt es seit 1946. Außer auf dem Gelände des Energieversorgers EnBW beim Gaskessel stellen die Meteorologen vom Deutschen Wetterdienst auch am Schnarrenberg und am Flughafen fest, wie warm oder kalt es in der Landeshauptstadt war und wie viel Niederschlag gefallen ist. Doch am 15. Mai musste die Wetterstation im Neckartal abgebaut werden. Seither macht das Wetter dort Pause. „Die EnBW saniert den Boden und will dort anschließend Parkplätze bauen“, sagt Diplom-Meteorologe Michael Gutwein und hofft auf ein Ersatzgelände auf Stuttgarter Gemarkung im Neckartal. „Das Areal muss auch gar nicht groß sein. 4,5 mal zwei Meter reichen völlig aus. Allerdings dürfen den Messgeräten keine Hindernisse im Weg sein. Ist ein Baum zum Beispiel sechs Meter hoch, müssen die Geräte in zwölf Meter Entfernung aufgestellt werden“, sagt Gutwein.

Der Besitzer eines geeigneten Grundstücks sollte nicht nur den Boden zur Verfügung stellen, sondern auch in die Rolle des Wetterfroschs schlüpfen. Das heißt: Im Winter muss er früh aus dem Bett, um zwischen 7.50 und 8.50 Uhr die Schneehöhe zu bestimmen – oder er muss melden, dass kein Schnee liegt. Ist die Schneedecke höher als fünf Zentimeter, ermitteln die Meteorologen das Gewicht des Schnees. Der ist mehr oder weniger wasserhaltig. „Das sagt aus, wie viel Wasser bei Tauwetter zum Regen kommt. Solche Kenntnisse sind für die Hochwasservorhersage wichtig“, so Gutwein.

Im Sommer hat der Wetterfrosch wenig zu tun. Seine Arbeit beschränkt sich darauf, die Messgeräte in Schuss zu halten. Dazu gehören der sogenannte Pluvio Ott, ein Gerät, das den Niederschlag aufs Exakteste erfasst. Und das ist ein Messgerät für die Lufttemperatur in zwei und fünf Meter Höhe. Außerdem mus im Sommer Unkraut gezupft werden, denn auf naturbelassenem Boden werden in verschiedenen Tiefen die Boden- temperaturen gemessen. „Dass ist wichtig für die Landwirtschaft, damit die Bauern wissen, ob sie zum Beispiel schon säen können. Im Winter sind die Werte für die Glatteisvorhersage notwendig“, stellt Gutwein fest. Da die Station mit einer automatischen meteorologischen Datenerfassungsanlage ausgestattet wird, geht Gutwein davon aus, dass der künftige Wetterfrosch im Winter höchsten zehn Minuten arbeiten muss. „Im Sommer richtet sich der Zeitaufwand nach Bedarf“, sagt er und hält stolz ein Bundesverdienstkreuz und einen Korb guten Weines hoch. „Das gibt es für ehrenamtliche Mitarbeiter nach 50 Jahren.“ Nach nur 25 Jahren bekommen sie eine schöne Medaille vom Wetterdienst und einen preiswerteren Wein. „Wegen der Ehrung oder der Aufwandsentschädigung von 881 Euro in Stuttgart macht es niemand, sondern weil Wetter eine spannende Sache ist“, weiß Gutwein.

Unterschiedliche Temperaturen in Stuttgart

Die Wetter Station im Neckartal betreuen zu dürfen wäre für einen passionierten Wetterfrosch oder einen, der es werden will, eine ganz besondere Aufgabe: Die Station belegt mit 10,6 Grad im langjährigen Mittel Platz drei unter den Top Ten der Stationen, an denen bundesweit die höchsten Jahresmitteltemperaturen gemessen werden. Auf Platz eins ist Duisburg mit 10,9 Grad, gefolgt von Heidelberg mit 10,6 Grad.

Weil die Temperaturen in Stuttgart sehr unterschiedlich sind, ist es auch wichtig, dass alle drei Stationen in Betrieb sind. Die Station am Neckartal ist am tiefsten gelegen, und die Werte sind für Aussagen übers Innenstadtklima unverzichtbar. Danach werden zum Beispiel Gutachten für Bebauungen erstellt, und Bauunternehmen wissen, ob sie betonieren können oder auf wärmere Temperaturen warten müssen.