Anita Rösslein (Mitte) mit ihren sechs Nikolausinnen. Foto: /Andreas Engelhard

Ist die Figur des alten weißen Mannes, der die Geschenke bringt, noch zeitgemäß? Auf dem Weihnachtsmarkt in Stuttgart reiben sich am Dienstagabend am Nikolaustag die Leute die Augen. Sechs Nikolausinnen kommen zum Gendern im kleinen Roten.

Wenn man dem Nikolaus etwas nicht vorwerfen kann, dann ist es ein mangelhafter Wiedererkennungswert. Weißer Rauschebart, Mütze mit Zipfel, langer roter Mantel und ein Sack voller Geschenken – der alte Mann ist ein PR-Genie, nicht weit von einem Popstar entfernt. Doch passt diese Figur heute noch zur freiheitlichen Vielfalt und zur Genderdebatte? Sollte nicht endlich eine Frau den Job übernehmen?

Nikola, Nicole, Nikolausine oder Nikoletta – wie die weibliche Form vom Nikolaus heißt, ist noch nicht endgültig geklärt. Anita Rösslein ist jedenfalls der Name einer Stuttgarter Frohnatur. Bei den Karnevalsvereinen ist sie die Präsidentin des Festkomitees. Mit sechs jungen Frauen hatte sie sich am Nikolaustag verabredet, um für ein rotes Wunder auf dem Stuttgarter Weihnachtsmarkt zu sorgen.

Was auf dem Stuttgarter Weihnachtsmarkt alles möglich ist!

Eigentlich sollte nur der Gastronom Joachim „Buddy“ Putler überrascht werden, der einmal im Jahr ins Nikolaus-Kostüm steigt, um am Stand Inge’s Schlosshütte am Alten Schloss die Gäste zu erfreuen. Wie oft hat er sich schon in früheren Jahren beschwert, dass er dieses Ehrenamt immer allein übernimmt! In der kalten Jahreszeit wolle er nicht immer nur dick eingepackte Menschen sehen, sagte er einmal, sondern auch mal was Schönes fürs Auge. Höchste Zeit sei’s für Gleichberechtigung, meint er wohl.

Anita Rösslein beschloss deshalb, diesem Mann zu zeigen, was auf dem Stuttgarter Weihnachtsmarkt, der zu den schönsten Weihnachtsmärkten in Europa gehört, alles möglich ist! Nicht nur Wirt Putler staunte am Dienstagabend. Der Aufmarsch der Nikolausinnen sorgte für großes Aufsehen in der Stuttgarter City. Nicht wenige Besucherinnen und Besucher rieben sich die Augen und fragten sich: Ja träum ich – oder liegt’s am Glühwein gar? Diversität wird in dieser Stadt halt groß geschrieben. Es lebe die Vielfalt auch vor Weihnachten!