Die Pyramide am Schlossplatz Foto: Lg//Piechowski

Nach der Premiere war erst einmal zwei Jahre Zwangspause. Die haben sie mit Müh und Not überstanden. Mit ihrer Weihnachtspyramide haben sich die Zinneckers zu einem Markenzeichen des Weihnachtsmarktes entwickelt.

Der Juniorchef ist unterwegs. Irgendwo. Beim Ausschank, oder vielleicht oben. Eine Pyramide ist ja per se dazu angetan sich zu verlaufen, das gilt auch für ein Exemplar aus Holz. Deshalb hat der Verkäufer am Stand auch ein Sprechfunkgerät. Für den Kontakt innerhalb der höchsten transportablen Weihnachtspyramide der Welt ist das ziemlich nützlich. Wenige Minuten später sitzen wir Manuel Zinnecker im Gastraum unterhalb der Spitze gegenüber.

Die Absage wirkt nach

Der Spross einer Schaustellerfamilie aus Bayern ist erleichtert, dass er wieder arbeiten darf. Vor drei Jahren feierten sie Premiere mit ihrer 26,5 Meter hohen Pyramide. Dann wurde die Pyramide nicht gerade einbalsamiert, aber eingelagert. Zwei Jahre lang. Eine brutale Zeit. Mit dem Verkauf von Süßigkeiten und Eis hielten sie sich über Wasser, ohne Kredit und dem Zugriff auf das Ersparte hätte der Betrieb aber nicht überlebt, sagt Manuel Zinnecker.

„Wir hatten aufgebaut, auch die Dekoration, alles war fertig“, erinnert er sich an das Vorjahr. Dann kam am Tag vor der geplanten Eröffnung die Absage. Im Kühlraum lagerten Waren für 50 000 Euro. Weil sie Spieße verkaufen und alles gerichtet war, „konnten wir das auch nicht mehr zurückgeben oder anders verwenden“. Der Aufbau und Abbau musste bezahlt werden. Das Personal stand ja auch parat, reiste teilweise aus Rumänien an, hatte Unterkünfte gebucht und andere Jobs abgesagt.

Summasummarum kostete die Absage eine gut sechsstellige Summe. Und in der Folge Freizeit. Vater Andreas, Mutter Claudia, ihre Kinder Manuel, Janet, Lorena, Schwiegertochter Welda und Schwiegersohn Monty Lagerin können sich nun darauf einrichten, dass der Müßiggang auf sich warten lässt. „Fünf bis zehn Jahre werde ich länger arbeiten“, rechnet Manuel Zinnecker. Die Kredite müssen schließlich abgezahlt werden.

Eigentlich sind sie Zirkuskinder

Da kann man es gut nachvollziehen, dass ihm dieses Jahr beim Aufbau und dem Bestellen der Ware mulmig war, „ich hatte das schon im Hinterkopf“. Aber Mut zum Risiko gehört zum Beruf dazu. Den hatten auch die Vorfahren. Die Zinneckers sind eigentlich eine Zirkusfamilie. Ihre Wurzeln finden sich im Circus Hagenbeck. Und beim Circus Sarrasani,den der Dressurclown Sarrasani 1902 gegründet hat: Es war der erste elektrisch beleuchtete Zirkus, mit Platz für 3600 Zuschauer. Bei der Bombardierung Dresdens 1945 wird auch der Zirkus zerstört. Seniorchefin Trude Sarrasani gründet in Argentinien den Circo Sarrasani Shangri-La. Den leiten die drei Brüder Karl, Werner und Franz Zinnecker. In den 70er Jahren kehrt Franz nach Deutschland zurück, er wird Schausteller.

Eine Trennungspyramide

Mittlerweile haben die Nachfahren mehrere Fahrgeschäfte. Manuel hat mit seiner Frau eine Riesenschaukel, sie steht immer auf dem Wasen. Doch jetzt helfen alle zusammen. Die Pyramide, die weltgrößte ihrer Art, ist der Blickfang des Weihnachtsmarktes. Vor fünf Jahren wurde sie den Zinneckers angeboten. Quasi als Überbleibsel einer verblichenen Partnerschaft. So wie es Trennungskinder gibt, gibt es auch Trennungspyramiden. Ein Paar hatte das Geschäft bauen lassen – nachdem sie nicht mehr zusammen leben und arbeiten wollten, mussten sie es verkaufen.

Normalität tut not

Die Zinneckers kauften die Pyramide und bewiesen damit Mut zum Risiko. Denn die Pyramide kostet so viel wie eine Eigentumswohnung in Stuttgart. Doch anders als Fahrgeschäfte kann man sie halt nur vier Wochen im Jahr einsetzen. Und wehe, ein Weihnachtsmarkt wird abgesagt. Oder es ist mal verregnet, und keiner will Glühwein, Fleischspieße und Würste. Am Ende haben sie es doch gewagt. Weil sie Erfahrung haben, weil sie die nötige Lagerfläche und wegen der Fahrgeschäfte die Ausrüstung hatten – wie Sattelzüge und einen Kran. Und weil die Gene immer noch auf Abenteuer gepolt sind.

Nun tut etwas weniger Aufregung aber auch ganz gut. Sowohl die Zinneckers als auch die Besucher freuen sich an der ungewohnten Normalität. „Die Menschen sind sehr gelassen und geduldig“, sagt Manuel Zinnecker, „wir sind glücklich, dass endlich wieder ein Weihnachtsmarkt ist – und unsere Gäste auch.“ Dann macht er sich wieder auf den Weg, ist unterwegs in der Pyramide.