Bei Handys, Computern, Spielekonsolen und drahtlosen Kopfhörern gibt es Lieferengpässe. Handelsverbände rechnen damit, dass zum Weihnachtsgeschäft die Auswahl weiter sinkt. Foto: New Africa

Handys, Fernseher, Spielwaren, Schuhe und Fahrräder: Die beliebtesten Weihnachtsgeschenke werden knapp, die Preise ziehen an. Können Händler Waren noch rechtzeitig liefern?

Stuttgart - Wie jedes Jahr wirbt der Handel, Weihnachtsgeschenke früh zu kaufen – nur so könne man sich die gewünschte Ware wirklich sichern. So ein Aufruf ist natürlich gut fürs Geschäft. Doch jetzt tritt wohl ein, was in den Vorjahren oft auch eine Marketingstrategie war. Beliebte Waren werden knapp – und das in der umsatzstärksten Jahreszeit.

 

Schon jetzt wartet praktisch jeder Fahrradhändler im Land auf wichtige Teile – was auch eine aktuelle Umfrage des Ifo-Instituts belegt. Dass beliebte Jeans- und Sportschuhmarken nicht überall verfügbar sind, räumt der Handelsverband Textil, Schuhe und Lederwaren (BTE) ein. Möbelhändler und Baumärkte würden wegen der Lieferengpässe vereinzelt Abgaben begrenzen, teilt der Handelsverband Heimwerken, Bauen und Garten auf Anfrage mit. Der Handelsverband Spielwaren wiederum erwartet, dass „überdurchschnittlich beliebte Produkte“ zum Fest nicht verfügbar sein könnten.

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Die Lieferkrise hat nach dem verarbeitenden Gewerbe jetzt auch voll den Handel erfasst. Drei von vier Händlern klagten laut Ifo-Institut bereits im September über Lieferprobleme. Und beim Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME), der rund 10 000 Mitglieder zählt, heißt es: Die Einkaufsmanager hätten laut Befragung „anhaltende Schwierigkeiten, dringend benötigte Artikel für die letzten drei Monate des Jahres bei ihren Lieferanten zu beschaffen“.

Die Auswahl an Handys, PCs, Laptops und Fernsehern sinkt

Besonders ist aber die Elektronikbranche betroffen, da sie schon seit Langem unter dem Chipmangel und fehlenden Ersatzteilen leidet. Die Aussagen der Verbände decken sich: Elektronisches Spielzeug, Handys, PC, Laptops, Radios und Fernseher werden langsam knapp, ebenso Produkte mit drahtloser Datenübertragung wie Router oder Bluetooth-Lautsprecher. Dazu kommen Kücheneinrichtungen wie Kühlschränke und Backöfen, in denen ebenfalls immer mehr Elektronik steckt. All das ist für die Landesbank Baden-Württemberg ein Grund, „vor langen Gesichtern bei der Weihnachtsbescherung“ zu warnen – wenn man zu spät sein Glück beim Geschenkeshopping suche.

Der Chipmangel ist ein Grund für die zunehmende Verknappung. Zudem hat die rasch gestiegene Konsumlaune viele Hersteller überrascht. Dazu waren in China wichtige Häfen zeitweise geschlossen: Überseeschiffe fahren nicht mehr nach Plan. Container stauen sich vor und hinter den Häfen. Andere gehen gar nicht auf die Reise oder stehen nicht dort, wo sie gebraucht werden – und das, obwohl sie ohnehin viel zu knapp sind, berichten deutsche Speditionen.

Wer auf Waren aus China angewiesen ist, hat jetzt Probleme

„Wie stark ein Händler von den Lieferproblemen betroffen ist, hängt im Wesentlichen davon ab, wie viel und welche Ware er aus Fernost bezieht“, sagt Axel Augustin vom BTE. Deshalb mangele es derzeit manchen Händlern an Sportschuhen oder Jeans, anderen aber nicht. Das Stuttgarter Traditionskaufhaus Breuninger etwa gibt auf Nachfrage Entwarnung.

Doch nicht immer wird transportiert, was noch transportiert werden könnte. Die Containerkosten haben sich in den vergangenen zwölf Monaten versechsfacht, manchmal lohnt sich der Versand nicht mehr. Andrea Marongiu, Geschäftsführer des Verbands Spedition und Logistik in Baden-Württemberg, glaubt deshalb, dass manche Billigartikel wie die Deko zu Advent oder Weihnachten in Asien bleiben könnte. Oder dass günstige Aktionswaren, wie sie auch Discounter anbieten, schwerer zu bekommen seien.

Die großen Geschenkeartikel-Ketten Depot und Nanu-nana beantworteten Anfragen, ob bei ihnen Weihnachtsdekoartikel knapp werden könnten, nicht.

Aldi hofft, die Aktionsartikel zu sichern

Aldi und Lidl sprechen von verspäteten Lieferungen vor allem im Nicht-Lebensmittelbereich. „Aktuell ist noch nicht absehbar, wie lange die Situation anhalten wird. Daher können wir nicht abschätzen, ob auch Aktionsartikel für das Weihnachtsgeschäft betroffen sein werden“, sagt eine Sprecherin von Aldi Süd. Man habe in den vergangenen Monaten zum Teil „Premiumfracht“ gebucht, was heißt, mehr Geld für eine verlässlichere Schiffslieferung gezahlt.

Auch andere Händler bemühen sich derzeit, doch noch die begehrten Waren zu bekommen oder für etwas mehr Liefersicherheit zu sorgen. Sie fragen bei weiteren Produzenten an oder suchen nach Ersatzmöglichkeiten in Osteuropa, von wo aus die Lieferwege noch funktionieren.

Media-Markt und Saturn reagieren auf mögliche Engpässe

Beim größten deutschen Elektronikhändler Media-Markt und Saturn bereitet man sich mit einem „absolut agilen Logistikkonzept“ auf Engpässe vor. Das heißt zum Beispiel, dass aus den Lagern und Filialen die Wunschware so hin- und hergeschoben wird, dass sie doch noch beim Kunden ankommt. Es könne aber durchaus sein, dass es beispielsweise statt des gewünschten Samsung-Fernsehers nur ein anderes Modell gebe, sagt eine Sprecherin.

Klar ist, dass auf breiter Front die Preise steigen werden – teils schon zu Weihnachten, stärker im nächsten Jahr, weil dann oft Verträge mit Produzenten und Logistikern neu verhandelt werden müssen und der Einkauf teurer wird. Preissteigerungen hat bereits der Handelsverband Heimwerken, Bauen und Garten, dem auch Bau- und Gartenmärkte angehören, angekündigt. Auch der Handelsverband Spielwaren stimmt die Verbraucher auf Mehrausgaben ein.

„Der allgemeine Trend geht dahin, dass viele Hersteller die höheren Kosten an ihre Kunden weitergeben, was sich in einem weiteren starken Anstieg der Verkaufspreise widerspiegelt“, so der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik.

Forscher: Höhere Preise lassen sich bei Kunden zurzeit leichter durchsetzen

Kostensteigerung
Für die Händler im Land ist die Zeit für Preissteigerungen günstig, heißt es beim Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Konjunkturchef Stefan Kooths geht deshalb davon aus, dass vor allem in den von der Pandemie stark betroffenen Branchen Kostensteigerungen an die Verbraucher weitergereicht werden. Im Handel waren besonders Geschäfte für Textilien, Schuhe, Spielzeug und Unterhaltungselektronik von Schließungen betroffen.

Preissensibilität
„Die Chancen, Preiserhöhungen auch durchsetzen zu können, stehen nicht schlecht, weil viele Menschen jetzt Konsum nachholen wollen, der in der Pandemie nicht möglich war“, ergänzt Kooths. „Sie haben Geld auf der hohen Kante und reagieren deshalb weniger sensibel auf Preiserhöhungen.“