Jedes Jahr zu Weihnachten stellt man sich die selbe Frage: Was soll ich nur schenken? Foto: dpa

Es muss nicht immer teuer oder trendig sein, bei Weihnachtsgeschenken sollte ein tieferer Sinn dahinter, der dem Beschenkten Freude vermittelt. Vier Experten geben Geschenke-Tipps.

Stuttgart - Haben Sie vielleicht das Gefühl, das falsche Geschenk besorgt zu haben? Doch auch wenn jeder schon alles hat, kann es gelingen, in der Überflussgesellschaft so zu schenken, dass die Freude wieder im Mittelpunkt steht. Vier Meinungen, die auch Trost spenden.

1. Wohlfahrtsverlust

Die ökonomische Logik ist herzlos. Der Homo oeconomicus würde eher Geld als Waren verschenken, um den „Wohlfahrtsverlust von Weihnachten“ zu vermeiden. Das sind Geschenke, die der Beschenkte nicht braucht und die dann im Schrank vergammeln. Und in der Tat – Gutscheine, Geldgeschenke oder Schenken nach Wunschliste haben alle den Zweck, unerwünschte Geschenke zu verhindern. Falls der Homo oeconomicus dann doch mal auf Geschenksuche geht, dann so, dass der Zeitbedarf des Suchens nach dem richtigen Geschenk geringer ist, als wenn sich der Beschenkte selber auf die Suche machen müsste. Das wäre zumindest effizient. Ein Weinliebhaber verschenkt demnach Wein, ein Jazzmusiker Jazz-CDs, ein Literaturkenner Bücher. Wenn der Homo oeconomicus keinen Gutschein verschenkt, dann etwas, wovon er Ahnung hat.

Nun ist der Homo oeconomicus aber auch in der Wissenschaft nicht mehr das Maß aller Dinge. Die Verhaltensökonomik hat Einzug gehalten, und mit ihr der Homo reciprocans. Altruismus, Gegenseitigkeit und Empathie machen den Menschen aus. Und wenn es dann etwas menschlicher wird, so zeigt sich, dass neben dem Geschenk der Akt des Schenkens einen Mehrwert generiert. Die geschenkte Karaffe von der Tante ist halt etwas anderes, als wenn man sich die gleiche Karaffe selbst gekauft hätte. Wichtig ist, dass sie „von Herzen“ kommt.

Text von Achim Wambach, Ökonom und Präsident Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung.

2. Nicht teuer, sondern lieb

„Wir schenken uns zu Weihnachten nichts mehr! Sie wissen schon: Süßer die Kassenglocken nie klingen . . .“ Aber diese ‚Anti-Konsum-Haltung‘, die pünktlich zum Weihnachtsfest aufpoppt und den Rest des Jahres dann keine Rolle mehr spielt (‚Urlaub? Nur all-inclusive!‘), ist auch nicht so richtig überzeugend.

Denn Weihnachten hat sich – neben dem individuellen Geburtstag – nun mal als Termin des allgemeinen Beschenkens herausgebildet. Es gehört zu unserem Brauchtum. In christlicher Perspektive steht dabei aber die symbolische Bedeutung des Geschenks im Vordergrund – nicht die materielle Sättigung. Und es gibt auch keinen Anspruch auf Geschenke. Schenken ist etwas Freiwilliges, kein Tauschhandel. Wunschzettel sind keine Einkaufslisten, auch wenn dieser Aspekt inzwischen manchen Kindern schwer zu vermitteln ist.

Unsere Geschenke verweisen auf ein viel größeres, ja unermesslich großes Geschenk Gottes hin: auf Jesus in der Krippe, mit dem das Heil, das Reich Gottes, seinen Anfang genommen hat. Das Weihnachtsfest gibt uns einen sinnlichen Vorgeschmack darauf, wie es sein wird, wenn das Reich Gottes kommt: Es wird sein wie ein Festtag, an dem Wärme, Liebe und Freude herrschen werden.

Dieses Geschenk Gottes an die Menschen, das wir Jahr für Jahr zu Weihnachten feiern, hat nun nichts mit dem kritisch zu betrachtenden Konsumzwang und der an sich berechtigten Konsumverweigerung zu tun. Also schenken Sie gern. Aber schenken Sie nichts, was Ihnen teuer ist. Schenken Sie nichts, was nur nützlich ist. Schenken Sie etwas, das Ihnen lieb ist.

Denn schließlich möchten Sie beim Beschenkten Freude wecken und zum Ausdruck bringen, dass Sie ihn besonders schätzen. Er soll spüren, dass wir etwas schenken, das uns wichtig ist, an dem unser Herz hängt. Er soll spüren, dass wir etwas von uns schenken. Zum Beispiel ein Buch, das wir selbst gern mögen und von dem wir glauben, dass es dem Beschenkten auch gefallen könnte.

Text von Michael Wermke, Religionspädagoge an der Universität Jena.

3. Sozialer Sinn

Schenken ist ein tief in das Kulturleben aller Völker zu allen Zeiten eingelassener Akt der Gabe. Er löst oftmals Gegen-Gaben aus, weil so eine soziale Bindung zwischen Menschen geknüpft und zum Ausdruck gebracht wird. Neben dem materiellen Wert (Gebrauchs- oder Tauschwert) gibt es also einen weiteren Wert, der in den Dingen verborgen ist: der soziale Sinn. Schenken drückt auch Bindungen aus, Motive der Liebe, des Respekts, der Dankbarkeit, der Pflicht. Ja, Schenken kann mitunter sogar einen bösartigen Hintergrund haben – wenn wir es einsetzen, um jemanden zu demütigen, abhängig zu machen, zu beschämen. Hoffentlich passiert das nicht zu Weihnachten.

Wenn man diesen sozialen Sinn mit bedenkt, dann kann man sich an Weihnachten auch durchaus darauf einigen, sich nichts zu schenken. Dann liegt der Fokus auf dem Fest an sich, auf dem gelingenden Miteinander, auf dem Zusammensein. Kurz: auf dem Tiefensinn des Schenkens. Wer diesen Tiefensinn weiterdenkt, kommt übrigens auch automatisch zu den besten Weihnachtsgeschenken: sinnerfüllte Zeit für gemeinsame Aktivitäten.

Text von Frank Schulz-Nieswandt, Soziologe an der Universität Köln.

4. Beobachten

Als Julia im Kindergarten bunte Perlen in einer durchsichtigen Kunststoffbox an mir vorbeitrug, wurde mir ganz warm ums Herz. Es dauerte etwas, bis ich das wohlige Gefühl überhaupt wahrnahm und feststellte, dass mich diese Perlen kurzerhand in meine Kindheit zurückkatapultierten. Ich besaß als Kind ähnliche Perlen. Vermutlich ergeht es manchem Papa so, wenn er einen Technik-Baukasten sieht. Dann wünschen wir uns, dass unsere Kinder sich zu Weihnachten wünschen, was wir gerne spielen würden oder mal gespielt haben. Aber beim Schenken geht es ja nun mal darum, dem anderen eine Freude zu machen. Wollen wir herausfinden, was unser Kind braucht, was seine Augen an Weihnachten erstrahlen lässt, müssen wir es beobachten.

Zum Beispiel: Das Kind hat gerade entdeckt, dass es mit der Herausforderung, mit kleinteiligem Material zu hantieren, zurechtkommt und Freude an Farbe hat. Dann können bunte Perlen zum Fädeln oder Weben genau das Richtige sein. Oder Werkzeug und Schrauben werden bei allen möglichen Gelegenheiten interessant gefunden. Dann ist ein Konstruktionsbaukasten bestimmt ein angesagtes Spielzeug. Oder das Kind liebt Rituale und die Gemeinsamkeit am Tisch, dann kann dieses Gemeinschaftsgefühl beim gemeinsamen Spiel eines Gesellschaftsspieles unterstützt werden. Vielleicht ordnet und sortiert das Kind gerne, dafür gibt es dann Lotto-Domino oder Bau- und Stapelspiele bis hin zu bestimmten Knobelspielen. Schön, wenn es etwas ist, das auch uns Erwachsenen Spaß macht. Und wenn nicht – lassen wir uns trotzdem zum Mitmachen überreden, vielleicht entdecken wir ja noch verborgene Fähigkeiten in uns. Auf jeden Fall aber verbringen wir Zeit miteinander. Und darum geht es.

Text von Ingetraud Palm-Walter, Pädagogin und Vorsitzende des Ulmer Vereins Spiel gut.