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Die Rebe ist ein Lianengewächs! An diesen Spruch seiner früheren Lehrmeisterin Christel Currle musste unser Weinkolumnist Michael Weier denken, als er in seinem Wein versuchte, die wild wachsenden Reben unter Kontrolle zu bringen und anzubinden.

Michael Weier

Stuttgart - Aller Anfang ist schwer, dachte sich der Hobbywinzer Weier. Inzwischen weiß er: hinterher fängt der Wahnsinn erst richtig an. Angesichts anderer Verpflichtungen war ich nach dem vorbildlichen Hack-Einsatz in meinem Weinberg zwei Wochen nicht mehr dort, was mir sofort einen Anpfiff meines Nachbars eingebracht hat: Das was da bei mir (aber immerhin mit gehacktem Untergrund) so wild wuchere, könne man ja wohl schlecht als Weinberg bezeichnen. Längst hätte ich die Reben anbinden müssen! Meine Vorstellung von Wachstum war bisher: vor fünf Jahren erst vierzig Flaschen bei Christel Currle, dann zweihundert Flaschen bei der Weinmanufaktur Untertürkheim, danach dreihundert Flaschen beim Collegium – und am Ende steht die Weltherrschaft in Sachen Wein! Einmal mehr lag ich komplett daneben. Wachstum sieht ganz anders aus. Zunächst wächst das Unkraut ziemlich hemmungslos. Zwischendurch wächst das Gras, allerdings wachsen auch die Reben. Das ist gut! Aber das verlangt eben nach Kontrolle. Denn die Rebe, das sagte mir Christel Currle immer, sei ein Lianengewächs. Deshalb wuchere sie zuweilen wie das Unkraut, auf jeden Fall muss man ganz genau auf die Ordnung achten. Bei mir standen die Triebe wild in alle Richtungen, weshalb sich beim Anblick schon die Frage stellte, wie daraus einmal ein Rebstock werden soll? Da für Sonntag ein Grillfest mit der ganzen Nachbarschaft im Kalender stand, blieb mir keine Wahl: In einer Abendschicht haben wir die Triebe ganz ordentlich angebunden, nun stehen sie senkrecht. Der Nachbar sagte zufrieden: „So, jetzt sieht’s wie an Wengert aus!“ Immerhin bin ich inzwischen nicht so naiv zu glauben, dass ich nun eine Pause kriege. Das Gras war gewachsen wie die Reben, mähen muss ich. Und dringend natürlich wieder hacken. Und dann die Reben erneut anbinden . . . Zwischendurch wartet dann noch ein anderer Job auf mich: Verkaufen in der Kelter. Denn die Rotenberger Genossen sind ja quasi ein Verein, dort helfen alle Mitglieder mit. Weil ein Sonntagsverkauf nicht anders geht. Die Kollegen aus Fellbach wissen das. Bereits im vierten Jahr gibt es dort zwischen Mai und Oktober an schönen Sonntagen Wein zu trinken – und zu kaufen. Theoretisch könnte man jetzt also zwischen Rotenberg und Fellbach eine kleine Wanderung unternehmen und gleich von beide Genossenschaften Weine probieren. Das ist dann Wachstum auf touristischem Gebiet.

Tipp der Woche

Was touristisch geht, sieht man übrigens in den Felsengärten in Hessigheim: Dort drängen sich die Ausflügler – und natürlich gibt’s auch sonntags Wein zu kaufen!

Felsengartenkellerei, Sauvignon blanc Fels, 8,50 Euro