Der Anfang war vielversprechend: Vor zwei Woche fingen die Reben an zu treiben Foto:  Herrweier

Er war ein Sonnenanbeter, nun betet unser Weinkolumnist Michael Weier plötzlich um Regen. Weil seine neu gepflanzten Reben im Rotenberger Weinberg arg mitgenommen ausschauen und dringend Wasser benötigen. Herr Weier wünscht sich sogar englische Verhältnisse!

Stuttgart - Für Jahre galt mir immer die Devise: Im Urlaub fahre ich nur in Länder, in denen Wein angebaut wird – und in denen auch verlässlich die Sonne scheint. Zumeist gehört das ja zusammen, denn Reben brauchen Sonnenschein. Ich bin zwar einmal nach England gefahren, weil dort inzwischen ebenfalls Reben angepflanzt werden (aus denen weniger guter Wein und ordentlicher Sekt gemacht werden), das war aber wie erwartet: Die meiste Zeit wechselte das Wetter nur zwischen Nieselregen, Landregen, Starkregen und Platzregen. Meine Vorurteile gegen die Insel waren aufs Beste bestätigt, was will der Mensch denn mehr?

Inzwischen aber wünsche ich mir ein kleines bisschen vom englischen Wetter nach Stuttgart. Ich habe, wie schon häufiger erzählt, Reben gepflanzt auf meinem Weinberg in Rotenberg – dem so ziemlich schönsten Flecken Erde der Welt. Mit Blick auf die Grabkapelle (erhaben schaue ich auf sie herunter!), auf den Fernsehturm, auf das Neckarstadion, das inzwischen eine Arena ist und auf den Kessel an sich. Sehr schön. Das Pflanzen lief auch ganz wunderbar, mit der Hilfe von Rolf Berner, dem Vorstand vom Collegium Wirtemberg, meinen freundlichen Nachbarn und der Helfertruppe mit Spaten ging alles flott von der Hand. Die Reben waren in der Erde, ich begeistert.

Und, liebe Leserinnen und Leser, es hat sich wahnsinnig gut angefühlt, als die kleinen Pflänzchen angefangen haben zu wachsen! Zarte Triebe, die mein Herz haben höher schlagen lassen. Aber was habe ich am Wochenende entdeckt? Die Hitze der Kirchentagstage mag vielleicht die Kirchentagsgänger erfreut haben, meine Reben nicht. Im Weinberg sah es aus wie in der Wüste Gobi, Risse in der Erde, die ersten Pflanzen sind elendiglich verdurstet. Vermute ich. Zumindest sind die Triebe verdorrt! Jetzt weiß ich nicht, wie zäh solche Pflanzen sind, bei meinem ersten Experiment sagte mir meine Lehrmeisterin Christel Currle immer: Die Rebe ist ein Lianengewächs. Zäh und mit einem unbändigen Wachstumwillen ausgestattet. Folglich habe ich mir eine Gießkanne geschnappt und bin damit übern Berg gerannt. Die Wassertonne neben dem Weinbergshaus habe ich komplett geleert, jede traurige Rebe hat ein paar Schluck Wasser bekommen.

Der Montag hat mir nun endlich in die Karten gespielt, in meinem ganzen Leben habe ich mich noch nie derart über einen ordentlichen Regen gefreut. Immer an meine armen Pfalzen denkend. Und mich bei einem ganzen Land entschuldigend: Liebes England, euer Regen ist natürlich ein wunderbarer Segen!

Tipp der Woche

Trollinger geht immer, sagt mein Vater. Dieser hier hat beim Trollinger-Preis den ersten Platz belegt bei den Originalen.

Heuchelberg Weingärtner, Schwaigern 2014er Trollinger trocken, Wein Palais Nordheim, 6,49 Euro.