Gestern, heute morgen: Trollinger ist immer im Trend Foto: Fotolia

Das Jahr neigt sich dem Ende entgegen – und unser Weinkolumnist Michael Weier zieht Bilanz. Über seinen eigenen Lemberger, den Trend hin zu Champagner und Trollinger, der in Württemberg niemals aus der Mode kommen wird.

Stuttgart - Tut mir leid, Sie jetzt schon darauf hinweisen zu müssen: Aber das Jahr ist rum. Zumindest für die Flaschenpost. Demnächst gibt’s nur noch Feiertage, derart arbeitnehmerfreundlich, dass ich jetzt schon meine Aufarbeitung des vergangenen Jahres präsentiere. Hier also meine vinologischen Höhepunkte des Jahres: Nummer eins: Herrnweiers Lemberger! WBescheiden wie ich nun mal bin, habe ich dank meiner großen Expertise erkannt, dass mein Wein der beste ist! Zumindest gab’s weder bei Stuttgarts beste Weine noch bei der Präsentation mit genialen neuen Produkten der Weinmanufaktur Untertürkheim irgendein Wort der Kritik, ich ziehe daraus pures Selbstvertrauen. Mein Lemberger ist großartig, und nach wie vor gibt’s ihn für die gute Sache. Ich verkaufe das tolle Produkt für lasche 20 Euro für die Aktion Weihnachten dieser Zeitung, wenn also jemand eine Flasche oder mehr von dieser Rarität möchte: E-Mail an mich. Die genauen Liefermodalitäten müssen zwar sehr individuell geklärt werden, aber solche Hürden meistern echte Weinliebhaber in der Regel locker. Zur Nummer zwei: Das Prickeln! Kaum habe ich die Liebe meiner Frau zu Champagner an dieser Stelle öffentlich gemacht, habe ich den Eindruck, das Thema überrollt mich. Im Weingut Aldinger arbeiten sie an einem Produkt, das Champagner geschmacklich sehr nahe kommt, in Untertürkheim ist es bereits auf dem Markt, bei sämtlichen Weinhändlern fanden in diesen Tagen Champagner-Proben statt – das Prickeln erlebt definitiv einen neuen Höhepunkt. Nummer drei: Der Trollinger! Sollte in dieser Spalte niemals fehlen, sagt mein Vater bei jeder Gelegenheit. Also Leute, der Trollinger ist IMMER im Trend! Nummer vier: Die Blindverkostung! Der Sinn von dieser wird zwar immer wieder angezweifelt, mir gefällt das Erahnen der Weine. Ich mache solche Proben immer wieder, bin aber selbst voll auf die Nase gefallen. Das österreichische Weinportal Captain Cork, im Internet eine spannende Nummer, hat kürzlich zu einer lustigen Blindprobe aufgerufen. Es verschickte einhundert Flaschen eines unbekannten Weins ohne Deklaration. Ich habe mich ganz privat beworben (quasi investigativ im Auftrag der Leser der Flaschenpost) – und tatsächlich eine Flasche erhalten. Niemand wusste von irgendwas, genau so fielen die Urteile aus: Von Bordeaux bis Supermarkt war alles dabei, von Österreich über Südafrika bis Spanien wurde der Wein verortet. Ich befand: Brandig, überreif, nicht ganz schlecht, aber ein günstiger Tropfen – Südamerika? Meine Frau befand: Der Rest taugt wunderbar für die Soße. Die Auflösung lautete: Der Wein hat in Italien als einer von zwanzig einen Ehrenpreis erhalten, kommt vom neuen Weingut Omina Romana des deutschen Industriellen Anton Börner und kostet schlappe 82 Euro. Nummer fünf: Die Zukunft! Meiner Meinung nach liegt die natürlich ganz eindeutig in meinem eigenen Weinberg. Vom kommenden Jahr an werde ich in bester Lage erhaben überm Württemberg mein neues Projekt starten. Lemberger war gestern, für die kommenden 15 Jahre steht der Chardonnay im Fokus. Ich habe mir die Finger wundgearbeitet, im Frühjahr wird Herrnweiers Chardonnay gepflanzt. Den gibt’s dann aber erst zu Weihnachten in vier Jahren, also müssen Sie in diesem Jahr einfach noch meinen Lemberger kaufen. Und zum Jahreswechsel trinken Sie ein tolles Blubberwasser – ob nun Sekt oder Champagner oder Trollinger-Schorle. Hauptsache, es schmeckt!