Nächtlicher Blick auf das Gebäude der EZB in Frankfurt. Foto: dpa

Bundesbankpräsident Jens Weidmann fordert eine Rückkehr zur traditionellen Geldpolitik. Die Anleihekäufe, die zum Jahresende auslaufen sollen, dürften nicht ins Standardrepertoire der EZB aufgenommen werden.

Frankfurt - Künstliche Beatmung rettet Leben. Aber wenn sie nicht rechtzeitig abgesetzt wird, kann sie die Atemmuskulatur schwächen – mit diesem drastischen Vergleich hat Bundesbank-Präsident Jens Weidmann am Freitag eine Entwöhnung der Märkte von Eingriffen der Europäischen Zentralbank (EZB) gefordert. Die großen Notenbanken müssten sich auf ihre traditionellen Aufgaben besinnen, mahnte Weidmann auf dem European Banking Congress in Frankfurt.

Zwar hat die EZB bereits ein Ende ihrer umstrittenen Anleihekäufe in Aussicht gestellt: Das Kaufprogramm, mit dem seit 2015 rund zweieinhalb Billionen Euro in die Märkte gepumpt wurde, wird voraussichtlich zum Jahreswechsel auslaufen. Weidmann scheint aber zu befürchten, dass die EZB derartige Geldspritzen künftig als Standardwerkzeug betrachten und sich zu neuen Interventionen hinreißen lassen könnte. Nach Auffassung des Bundesbank-Präsidenten sollte der Kauf von Staatsanleihen im Euroraum jedoch nur „in Ausnahmefällen genutzt werden, um eine Deflationsspirale abzuwenden“.

Auch Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing forderte auf der Konferenz eine Normalisierung der Geldpolitik: „Ein wenig Unterstützung unserer Zentralbank durch normalisierte Zinsen“ würde den europäischen Banken helfen, sagte Sewing. Im Gegensatz zur EZB hat die US-Notenbank ihre Anleihekäufe schon vor Jahren eingestellt und den Leitzins schrittweise auf derzeit 2 bis 2,25 Prozent erhöht. Auch deshalb konnten die US-Banken ihren Vorsprung gegenüber den Europäern ausbauen, die unter schwindenden Zinseinnahmen leiden.

Im Euroraum sind die Zinsen zum Teil sogar negativ

Die EZB plant Zinserhöhungen frühestens im Herbst 2019, wie ihr Präsident Mario Draghi am Freitag bekräftigte. Die meisten Beobachter erwarten, dass die Notenbank dann zunächst ihre heftig umstrittenen Negativzinsen lindern wird. Der Satz für Einlagen der Geschäftsbanken bei der EZB liegt gegenwärtig bei -0,4 Prozent. Kreditinstitute, die Geld bei der EZB parken, zahlen also drauf – und geben diese Kosten zum Teil an ihre Kunden weiter.

Trotz aller Kritik an der Niedrigzinspolitik zollte Sewing EZB-Präsident Draghi Respekt für dessen Einsatz in der Eurokrise. Der Italiener habe „einen gewaltigen und kritischen Beitrag dazu geleistet, Europa durch stürmische Zeiten zu steuern“, sagte der Deutsche-Bank-Chef. Nachhaltig überwunden sei die Schuldenkrise allerdings noch nicht, schränkte Sewing mit Blick auf Italien ein.

Draghi sagte in einer indirekten Warnung an seine Landsleute: „Hochverschuldete Länder sollten ihre Schulden nicht noch weiter erhöhen.“ Der Aufschwung in der Eurozone bleibe aus Sicht der EZB aber trotz aller Probleme intakt. Dies gelte auch nach dem leichten Rückgang der deutschen Wirtschaftsleistung im dritten Quartal.