Der Bericht der Wehrbeauftragten offenbart, wie schlecht es um die Truppe steht. Foto: Sascha Willms/Sascha Willms

Wehrbeauftragte Eva Högl stellt ihren Jahresbericht zur Bundeswehr vor. Die Mängel der Truppe bleiben trotz „Zeitenwende“ eklatant.

Jedes Jahr stellt die Wehrbeauftragte des Bundestags ihren Bericht vor. In diesem ist aufgelistet, wie es um die Bundeswehr steht. Seit Jahren ist der Bericht vor allem eine Mängelliste. So auch in diesem Jahr. Im Wesentlichen nichts Neues, könnte man sagen. Auch das gehört zum Ritual.

Wehrbeauftragte Eva Högl trat trotz der vielen schlechten Neuigkeiten am Dienstag mit einem Lächeln vor die Presse. Der 171-seitige Bericht ist der erste für die Zeitenwende. Über sie fällt Högl eine vernichtende Zwischenbilanz: „Bei unseren Soldatinnen und Soldaten ist 2022 noch kein Cent aus dem Sondervermögen angekommen.“ Gleichzeitig war die Bundeswehr „gefordert wie nie“, sagte Högl. Es wurde viel Material an die Ukraine abgegeben, etwa 14 Panzerhaubitzen oder das Flugabwehrsystem Patriot, bald sollen 18 Leopard-2-Panzer folgen.

Die Knackpunkte: Ausrüstung, Infrastruktur, Personal

Außerdem schulten deutsche Soldaten ihre ukrainischen Kameraden an diesen Systemen. Zusätzlich schickte Deutschland weitere Einheiten an die Nato-Ostflanke, etwa zur Luftverteidigung in die Slowakei oder mit einer verstärkten Präsenz in Litauen. Drei zentrale Punkte nennt Högl, bei denen es vorangehen müsse: Ausrüstung, Infrastruktur und Personal. „Die Bundeswehr hat von allem zu wenig“, sagte Högl über die Ausrüstung. Für Übung und Einsatz gebe es nicht genügend Material. Wie viele Panzer, Flugzeuge und Schiffe nicht ordnungsgemäß funktionieren, kann man nicht genau beziffern. Das Verteidigungsministerium erhebt diese Zahlen seit Jahren nicht mehr.

Bei der Beschaffung seien die Verfahren zu behäbig, die Vorschriften zu komplex, sagte Högl. „Es dauert alles viel zu lang.“ Auch die Wehrbeauftragte schildert sichtlich fassungslos, dass nicht sofort nachbestellt wurde, nachdem man entschieden habe, Panzerhaubitzen an die Ukraine abzugeben.

Dass die Bundeswehr schlecht ausgestattet sei, liege nicht nur am Geld, sagte Högl. Dennoch drücke sie Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) die Daumen, dass er sich mit seiner Forderung nach zusätzlich zehn Milliarden Euro für sein Ministerium durchsetzen könne.

Lob für Christine Lambrecht

Ein seltenes Positivbeispiel ist die persönliche Ausrüstung. Dazu zählen Schutzwesten, Rucksäcke und Kleidung für Einsätze im Winter. „Das kommt jetzt bei der Truppe an“, sagte Högl. Die sonst glücklose Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) bekommt ein Lob von Högl für ein Gesetz, das die Beschaffung beschleunigen soll.

Bei der Infrastruktur gibt es einen Sanierungsstau von 50 Milliarden Euro. „Zu viele Kasernen in Deutschland sind in einem erbärmlichen Zustand“, heißt es in dem Bericht. Högl nennt Beispiele von verschimmelten Duschen und nicht funktionierendem Internet. An der Bundeswehr-Universität in München funktioniert das WLAN auf manchen Stuben nur bei geöffneter Tür. In anderen Kasernen seien immerhin schon die Router sichtbar im Kasernengebäude installiert, doch der Kabelanschluss fehle.

Viele Soldaten kehren Bundeswehr in der Probezeit den Rücken

Kaum verwunderlich, dass die Bundeswehr Nachwuchssorgen hat, dabei gilt das Personal als zentrale Herausforderung für die Zukunft. Bis 2031 soll sich die Zahl der Soldaten von 183 000 auf 203 000 erhöhen. Die Bundeswehr konkurriert beim Personal mit privaten Unternehmen. Die bieten mehr Geld und Homeoffice. Die Bundeswehr oft nicht mal WLAN oder saubere Toiletten.

Unter denen, die sich tatsächlich für den Soldatenberuf entscheiden, sind viele schnell wieder weg. Bei den Zeitsoldaten hätten zwischen Januar und Mai 2022 ganze 27 Prozent innerhalb der ersten sechs Monate Probezeit den Dienst quittiert. Im Heer war es sogar jeder Dritte, schreibt die Wehrbeauftragte in ihrem Bericht.

Högl kommt zu einem ernüchternden und wenig überraschenden Fazit: „Viele der im Jahresbericht aufgeführten Probleme sind bereits seit Jahren bekannt und waren schon in früheren Jahresberichten enthalten.“ Getan habe sich erschreckend wenig.