Generationen von Internatsschülern kennen über dem Schulportal den Spruch „Non scholae, sed vitae discimus“: Nicht für die Schule, für das Leben lernen wir Foto:  

„Hanni und Nanni“ in Sachsenheim sind bald Geschichte: In zwei Jahren muss die altehrwürdige Anstalt dicht machen – die Schülerinnen bleiben aus.

Sachsenheim - Aus seiner Wehmut macht Reinhart Gronbach keinen Hehl. Immerhin lebt und arbeitet der Schulleiter seit elf Jahren auf dem Campus des Evangelischen Lichtenstern-Gymnasiums in Sachsenheim und kennt „seine“ 14 Internatsschülerinnen schon lange persönlich. „Man hat ja auch irgendwie das Leben miteinander geteilt, so ein Abschied tut dann schon weh“, sagt Gronbach. Der Grund seiner Wehmut: In zwei Jahren muss das Internat schließen – die Schülerinnen bleiben aus. Und weil sich die Evangelische Landeskirche als Träger neben dem Firstwald-Internat in Mössingen (Kreis Tübingen) und dem Evangelischen Schulzentrum in Michelbach/Bilz (Kreis Schwäbisch Hall) keinen dritten Standort mehr leisten möchte, muss eben der Standort Sachsenheim dran glauben.

Der Nachwuchs aus dem Mittelstand fehlt

Forscht man nach den Ursachen des Schülermangels, muss man tiefer suchen. Denn es geht um mehr als die monatlichen Kosten, die die Eltern von Internatsschülern zu stemmen haben. In Sachsenheim sind das etwa 1500 Euro. Auch die familiären Strukturen haben sich geändert. „Früher war der Mittelstand unsere Klientel, Handwerker, Lehrer und Pfarrer haben uns ihre Töchter geschickt“, berichtet Gronbach. Heute breche der Nachwuchs aus den Mittelstandsfamilien zunehmend weg, es gebe ja kaum noch kinderreiche Familien. Durch das erweiterte Angebot der Ganztagsschulen hätten die Familien außerdem mehr Betreuungsalternativen, auch die immer weiter ausgebauten staatlichen Gymnasien seien eine große Konkurrenz für die Internate. Und noch einen wichtigen Grund für das Fernbleiben von Internatsschülerinnen nennt Gronbach: „Wir haben hier nur Doppel- und keine Einzelzimmer. Das schreckt viele ab, auch wenn es die, die kommen, toll finden, wenn sie erst einmal hier leben.“ Wer sich ein Internat leisten könne, schicke seine Kinder nach England, ins Mutterland der Internate. Dort herrsche eine andere Kultur, auch die Schuluniform werde ohne Murren akzeptiert.

Auch andere Internate haben Probleme

Von den Gründen für die Schließung können auch andere Internate im Land ein Lied singen. Viele Einrichtungen hätten vor vier, fünf Jahren mit einem starken Rückgang ihrer Schülerzahlen zu kämpfen gehabt, berichtet Christina Metke vom Verband Deutscher Privatschulverbände (VDP) in Stuttgart. „Der demografische Wandel war schuld daran, aber auch der Missbrauchsskandal an der Odenwaldschule.“ Seit einiger Zeit habe sich die Lage allerdings wieder stabilisiert.

Den Odenwald-Skandal bezeichnet Hans-Martin Meth als „letzte große Erschütterung“ in der Internatslandschaft. „Das war ein Selbstreinigungs- und Erklärungsprozess“, sagt der Sprecher der Internate-Vereinigung in Schelklingen bei Ulm. Rund fünf Prozent weniger Neuzugänge hätten die Schulen hinnehmen müssen. Zurzeit besuchten im Land etwa 350 Schüler die sechs zur Vereinigung gehörenden privaten Internate. Für ihn sei eher entscheidend, wie die Schulen mit der steigenden Nachfrage aus Russland und China umgingen. „Da mussten wir reagieren und individuell persönliche Grenzen setzen, denn wenn zu viele Schüler aus einem Land auf derselben Schule sind, ist das auch nicht gut und nicht gewollt.“

Sachsenheimer Gymnasium baut aus

Bei aller Wehmut über die Schließung des Internats hat Reinhart Gronbach gleichwohl aber auch Gründe zur Freude. So werde das Tagesgymnasium mit derzeit 450 Schülern aufgestockt, auch die Aufbauschule mit im Moment etwa 60 Schülern solle größer werden, berichtet er. „Wir weinen zwar über die Schließung, können aber auch andere Dinge angehen.“