Die Fernzüge fallen aus, die Reisenden hoffen auf die Regionalbahnen. Wer nicht weiterkommt, kann die Nacht im Hotelzug verbringen.Fotos:dpa Foto:  

Der Sturm „Friederike“ hat am Donnerstagnachmittag zum Erliegen des Fernverkehrs der Deutschen Bahn geführt. Auch in Stuttgart strandeten daher viele Reisende am Hauptbahnhof, an dem an diesem Tag vieles anders war als sonst.

Stuttgart - Mietwagen werden zur Mangelware, der Infoschalter in der Bahnhofshalle verwandelt sich in eine Kaffee-Bar, und zwei leere Züge bieten gestrandeten Reisenden einen Unterschlupf in der Nacht: Am Stuttgarter Hauptbahnhof ist am Donnerstagabend fast nichts gewesen wie sonst. Weil der Sturm Friederike mit zerstörerischer Kraft über Deutschland zog die Deutsche Bahn in der Folge bundesweit den Fernverkehr einstellte, kam auch in der Landeshauptstadt einiges durcheinander.

Die Mitarbeiter der Bahn haben alle Hände voll zu tun. An sämtlichen Zugängen zu den Gleisen steht einer von ihnen. Jeder einzelne ist von einer Traube von Menschen umringt. „Wie komme ich nach München?“, „Und wie nach Frankfurt?“ Die Bahnmitarbeiter bleiben ruhig, verweisen auf die Regionalzüge, die noch fahren. Alle paar Minuten ertönen Durchsagen, dass wegen technischer Defekte und wegen der Sturmschäden der Bahnverkehr lahm liegt.

Lob für die Bahnmitarbeiter

Petra Hohmann, Sekretärin aus Ravensburg, ist seit 12 Uhr unterwegs. Sie wollte nach Gelnhausen in der Nähe von Frankfurt. Wegen einer Verspätung sei sie schon nicht so losgekommen wie geplant. In Ulm sei ihr Zug dann ganz ausgefallen. Anschließend ist Petra Hohmann mit dem Regionalzug nach Stuttgart gefahren – und dort ging so gut wie nichts mehr. Mit einem Regionalzug wollte sie nicht weiterfahren. Sie entschied sich für die Heimreise und will am Freitag einen neuen Versuch starten. „Dann kann ich wenigstens im eigenen Bett schlafen und muss nicht irgendwo an der Strecke im Hotel übernachten“, sagt sie. Ihre Fahrkarte bleibt gültig.

Mietwagen sind im Nu ausgebucht

Alternativen sind schwer zu finden. Bill Steele, 51-jähriger PC-Berater, wollte nach München. Zusammen mit seiner Frau versucht er gegen 16.30 Uhr einen Mietwagen zu bekommen. Doch das ist ein hoffnungsloses Unterfangen. „Die Idee haben viele“, stellt er fest. Bei den Autovermietern Avis, Sixt und Budget waren schon mittags alle Wagen weg. Avis-Mitarbeiterin Elisabeth Weisskopf stellt fest: „Innerhalb von 20 Minuten wollten 20 Menschen ein Auto. So einen Ansturm habe ich noch nie erlebt.“

Da bleibt vielen Reisenden nur der Blick auf die ausgehängten Fahrpläne und die Anzeigetafeln, die einen ungewohnten Anblick bieten: Wo sonst nationale und sogar internationale Ziele stehen, sind die entferntesten Destinationen am Donnerstagabend Aulendorf, Rottenburg und Freudenstadt. Ziemlich geknickt steht ein 67-jähriger Augsburger in der Bahnhofshalle. Er hatte eine Fernreise vor sich, nach Äthiopien sollte es gehen. „Wir sind extra früh los, damit wir viel Puffer haben“, sagt er, als er gegen 18.30 Uhr die Daten des Aushangfahrplans studiert. Doch zum Flieger schaffe er es nun nicht mehr. „Jetzt geht es wieder zurück.“ Die Verspätung kann ihn teuer zu stehen kommen: „Ich rechne leider nicht damit, dass ich etwas erstattet bekomme. Der Flugpassagier ist ja verpflichtet, dafür zu sorgen, dass er rechtzeitig da ist“, stellt der Augsburger fest.

Gute Chancen, zurück zum eigenen Bett zu kommen

Wie die Sekretärin aus Ravensburg hat auch der Augsburger gute Chancen, wenigstens zurück zum eigenen Bett zu kommen. Das werden in der Nacht nach dem stürmischen Donnerstag nicht alle gestrandeten Fahrgäste schaffen. Deswegen stellt die Bahn gegen Abend zwei leere Züge an den Bahnsteigen fünf und sechs bereit. Wer sich darin niederlässt, sitzt trocken und warm, ein Servicemann teilt Tetrapacks mit stillem Wasser und Schokoriegel aus. Im Pendlertrubel zwischen 17 und 18 Uhr füllen sich die Züge zunächst. Doch offenbar nutzen manche den Unterschlupf nur, um die weitere Reise zu organisieren. Gegen 20 Uhr wird es wieder leer in dem Intercity, in dem bereits der Reiseplan für den nächsten Morgen ausgelegt ist. In dem als Hotelzug genutzten ICE sieht es nicht anders aus. Auch die Bahnhofshalle leert sich gegen 19 Uhr, nicht mal mehr an der Information der Deutschen Bahn steht eine Schlange. Das Chaos hat sich gelichtet. Die Bahnmitarbeiter machen sich dennoch bereit für weitere unfreiwillig in Stuttgart gelandete Fahrgäste. In großen Thermoskannen schleppen sie Tee und Kaffee herbei nebst Hunderten von Pappbechern. Wenige Schritte entfernt beantwortet eine Zugbegleiterin geduldig ein ums andere Mal die Frage, wann sich die Lage wieder normalisiert. „Heute fährt nichts mehr. Und morgen muss erst alles wieder in den Takt kommen“, erläutert sie.

Wie ist die Situation am Airport?

Wie sieht es am Flughafen aus? „In Stuttgart sind wir noch glücklich dran.“ Der stellvertretenden Pressesprecherin des Flughafens, Beate Schleicher, ist die Erleichterung anzumerken. Dennoch gab es auch auf den Fildern einige Ausfälle. Zwei erwartete Maschinen aus Amsterdam und jeweils eine aus London, Hamburg, Bremen und Rostock seien wegen des schlechten Wetters erst gar nicht gestartet, berichtet Beate Schleicher. Betroffen waren davon etwa 600 Passagiere. Ebenso viele Fluggäste konnten nicht abfliegen, weil ihre Maschinen nicht in Stuttgart gelandet waren. Üblicherweise werden die Kunden von ihren Airlines oder Reiseveranstaltern umgebucht oder erhalten Bahntickets, um noch ans Ziel zu kommen. Letzteres war am Donnerstag nicht möglich. Die Flugausfälle in Stuttgart beschränkten sich auf die Zeit zwischen 9 Uhr und 14.25 Uhr. „Danach lief der Betrieb ganz normal weiter“, sagte die Pressesprecherin Beate Schleicher.