Madrid ist eine eine Stadt, in der man sich sicher fühlt, eben deshalb, weil sie so hell erleuchtet ist. Foto: imago/Florian Gaertner

Von kommender Woche verpflichtet Spanien die Geschäfte dazu, nach 22 Uhr die Beleuchtung ihrer Schaufenster auszuschalten. Das ist ein starker Eingriff in spanische Gewohnheiten.

Europa braucht unsere Hilfe“, sagt die spanische Umweltministerin Teresa Ribera. „Jetzt ist Zeit, um solidarisch zu sein.“ Am Montag hat die Politikerin einen Plan mit Sofortmaßnahmen zum Energiesparen vorgelegt, der Ausdruck dieser Solidarität mit Ländern in Gasnot sein soll.

 

Unter anderem werden von kommender Woche an die Geschäfte dazu verpflichtet, nach 22 Uhr die Beleuchtung ihrer Schaufenster auszuschalten. Das ist ein starker Eingriff in spanische Gewohnheiten.

Der Protest kam sofort. „Madrid wird nicht abgeschaltet“, twitterte die Madrider Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso, die ein gutes – manche sagen: populistisches – Gespür dafür hat, was ihre Wähler bewegt. „Das schafft Unsicherheit und erschreckt den Tourismus und den Konsum. Das stiftet Dunkelheit, Armut, Traurigkeit.“

Madrid ist eine Stadt, die niemals schläft

Aus all diesen Gründen, verspricht die Politikerin, werde dieser Teil des Energiesparplans in Madrid nicht umgesetzt. Was ein rechtliches Unding ist. Aber Ayuso lässt es immer gerne auf einen Konflikt mit der nationalen Regierung ankommen.

Madrid ist, wie New York, eine Stadt, die niemals schläft. Madrid ist eine sichere Stadt und auch eine Stadt, in der man sich sicher fühlt, eben deshalb, weil sie so hell erleuchtet ist. Spaniern auf Deutschlandbesuch fällt sofort der Unterschied auf: Ihnen sind die deutschen Großstädte etwas unheimlich.

Zur Beleuchtung gehören in der Madrider Innenstadt die Schaufenster der großen Läden, die kleineren lassen ihre metallenen Rollläden herunter. Diese Schaufenster im Dunkeln zu lassen, ist für Madrid so einschneidend, wie es für New York wäre, am Times Square die Leuchtreklame abzuschalten. Außerdem sollen von 22 Uhr an auch keine öffentlichen Gebäude mehr beleuchtet werden, es sei denn, sie haben noch fürs Publikum geöffnet.

Spanien bezieht nur zehn Prozent des Gases aus Russland

Es gibt gute, vor allem Klimagründe fürs Energiesparen in Spanien, die Gasversorgung aus Russland gehört nicht dazu. Spanien bezieht nur rund zehn Prozent seines Gases aus Russland, und das wäre leicht zu ersetzen, weil an den spanischen Küsten sechs Regasifizierungsanlagen stehen, die Flüssiggas aus aller Welt annehmen können.

Als die EU-Kommission vor zwei Wochen davon sprach, alle EU-Staaten sollten ihren Gaskonsum um 15 Prozent einschränken, echauffierte sich Umweltministerin Ribera: Spanien habe energetisch nicht über seine Verhältnisse gelebt. Schließlich einigte man sich auf eine Sieben-Prozent-Reduktion für Spanien. Die hilft den Ländern wie Deutschland, die Probleme mit der Gasversorgung haben, nicht, ist aber ein Symbol des Zusammenhalts.

Frösteln aus Solidarität mit Deutschland?

Nun sind die Spanier also bereit zu frieren, weil in Deutschland die Heizung ausgefallen ist. Das ist nicht nur metaphorisch gesprochen: Im Winter soll in öffentlichen Gebäuden, in Büros und Geschäften höchstens noch auf 19 Grad geheizt werden und im Sommer nicht auf unter 27 Grad gekühlt. Das geht. Dazu gibt es keine Proteste. Zu einer anderen Neuigkeit schon: Klimatisierte Geschäfte müssen bis Ende September automatisch schließende Türen installiert haben, damit Kälte oder Hitze nicht sinnlos auf die Straße entweichen.

Kein Problem für die Großen. Aber für die Kleinen wird’s teuer. Anlass für einen weiteren Tweet der Regionalpräsidentin Ayuso: „Und wer bezahlt das?“ In Frankreich, das ebenso sparsam sein will wie der Rest Europas, wird es keine Pflicht zu selbstschließenden Türen geben – stattdessen Bußgelder für Läden, die ihre Türen nicht geschlossen halten.

Ministerpräsident verzichtet auf die Krawatte

Als Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez am vergangenen Freitag den Energiesparplan ankündigte, trat er demonstrativ mit offenem Hemdknopf auf. „Ich trage keine Krawatte“, sagte er, „das bedeutet, dass wir alle aus energetischer Sicht sparen können, und ich habe alle Minister und alle Beamten und den Privatsektor gebeten, keine Krawatte zu tragen, wenn es nicht nötig ist. Auf diese Weise sparen wir alle Geld.“

Außer Politikern und ihren Leibwächtern trägt in Spanien aber sowieso kaum noch einer Krawatte, höchstens Banker und Makler. Die Klimaanlagen brauchen schon länger nicht mehr so kalt gestellt zu werden.

In Frankreich wird’s dunkler und kühler

Schaufenster
  Auch in Frankreich müssen Schaufenster nachts dunkel bleiben – von ein Uhr morgens bis sechs Uhr früh. In den Nachtstunden darf in Frankreich auch keine Reklame leuchten. Die Türen klimatisierter Geschäfte bleiben geschlossen.

Heizung
Im Winter sollen die französischen Geschäfte auf höchstens 17 Grad geheizt werden. Die meisten anderen EU-Länder setzen auf Empfehlungen, statt auf neue Verordnungen zum Energiesparen.