Die Deutsche Bahn bangt um das Schicksal von 2600 Mitarbeitern in Baden-Württemberg. Grund sind die Nahverkehrsausschreibungen im Südwesten. Foto: dpa

Baden-Württemberg schreibt immer mehr Nahverkehrsleistungen aus. Der Platzhirsch Deutsche Bahn schlägt nun Alarm und warnt vor Lohndumping und sinkenden Sozialstandards. Das Land versteht diese Sorgen nicht.

Stuttgart - Die Deutsche Bahn (DB) bangt wegen der Nahverkehrsausschreibungen um das Schicksal von 2600 Mitarbeitern in Baden-Württemberg. „Da die Kostenblöcke für Energie, Leasingrate, Trassen- und Stationsentgelte für alle Unternehmen gleich sind, wird der Wettbewerb weitgehend über die Personalkosten ausgetragen“, sagte der regionale Nahverkehrs-Chef der DB, Andreas Moschinski-Wald, der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Ein Sprecher von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) wies die Befürchtungen am Sonntag zurück. „In Baden-Württemberg gilt das Tariftreuegesetz: Wer sich auf ein Netz bewirbt muss für die Tariftreue unterschreiben.“

Das Land als Besteller der Nahverkehrsleistungen hat Leistungen in 17 Netzen ausgeschrieben und will damit auch das Monopol der Bahn brechen. Diese hatte bislang im Rahmen des 2003 abgeschlossenen und 2016 auslaufenden großen Verkehrsvertrages 40 Millionen Zugkilometer - und damit den größten Anteil der gut 65 Millionen Kilometer - pro Jahr geliefert.

Das Tariftreuegesetz in Baden-Württemberg lässt mehrere Tarifverträge als repräsentativ zu. Aus Sicht der Bahn soll das Verkehrsministerium in seinen Ausschreibungen festlegen, dass der Tarifvertrag des Altbetreibers bei der Entscheidung für ein Eisenbahnverkehrsunternehmen verbindlich ist.

Das wäre der DB-Tarifvertrag, dessen Konditionen nach Aussage Moschinski-Walds die Tarifverträge der Konkurrenz im Schnitt um rund zehn Prozent überschreiten. „Ansonsten werden unsere Sozialstandards, die Ausbildung junger Menschen, die Beschäftigung älterer Mitarbeiter, Reintegration Kranker sowie Pausenräume zum massiven Wettbewerbsnachteil.“ Dass sozialverantwortliches Handeln bestraft werde, sei sicherlich nicht im Sinn des Gesetzgebers. Vorbild könnten S-Bahn-Ausschreibungen in Berlin und Hamburg sowie bei Teilen des Brandenburger Netzes sein.

Die vornehmlich ausländischen Mitbewerber wie Veolia (Frankreich), Netinera (Italien) oder Abellio (Niederlande) würden sich - sofern das Land keinen Riegel vorschiebe - leistungsfähige junge billige Kräfte der DB rauspicken, sollten sie den Zuschlag erhalten, befürchtet Moschinski-Wald. Die übrigen Bahn-Mitarbeiter müssten dann mit Jobverlust und räumlicher Veränderung im Bahnkonzern rechnen.

Der Ministeriumssprecher entgegnete: „Aus den Erfahrungen anderer Bundesländer wissen wir, dass Befürchtungen, der Wettbewerb führe zu Sozialdumping, grundlos sind. Qualität und Leistung haben jedoch eindeutig vom Wettbewerb profitiert.“ Bei Ausschreibungen in jüngster Zeit habe sich auch gezeigt, dass die Wettbewerber eben nicht über Personalkosten miteinander konkurrieren, sondern dass es auch etwa bei Fahrzeugkosten erhebliche Unterschiede gebe. „Selbst wenn es zwischen den verschiedenen Bahnunternehmen gewisse Lohnunterschiede gibt, wird kein Wettbewerber der DB bei dem allgemeinen Arbeitskräftemangel in der Bahnbranche - ganz besonders in der Region Stuttgart - Personal gewinnen können, wenn die Konditionen nicht stimmen.“

Zudem gebe es eine Vereinbarung mit Vertretern des Betriebsrates des Verkehrsbetriebs Württemberg der DB-Regio AG, wonach die Einrichtung eines paritätisch besetzten Gremiums angestrebt wird, das die Einhaltung der Tariftreueregelungen im Schienenpersonennahverkehr überwachen soll. Ferner prüfe das Land eine Regelung, die bei einem Arbeitgeberwechsel von Mitarbeitern eine Mitnahme der Dauer der Betriebszugehörigkeit in das neue Unternehmen gewährleistet.

Moschinski-Wald kritisierte überdies die vom Verkehrsministerium durchgesetzte Aufteilung der Stuttgarter Netze in drei Lose, von denen ein Unternehmen nur für zwei den Zuschlag bekommen kann. „Das Land vergibt ohne Not die Chance, im Sinne der Steuerzahler ein günstiges Gesamtangebot für alle drei Lose einzuholen“, erläuterte der Manager. Gerade bei den Stuttgarter Netzen mit ihren 15 Millionen Zugkilometern im Jahr fehle es nicht an ökonomischen Anreizen für die Eisenbahnunternehmen, sich zu bewerben. Denn sie könnten die benötigte Investitionssumme von 700 bis 900 Millionen Euro in Fahrzeuge für viele Jahre bei guter Rendite anlegen.