Viele Heimbewohner sind heute auf Sozialhilfe angewiesen. Foto: picture alliance / Frank Rumpenh

Der Anteil der Empfänger von Sozialhilfe im Pflegeheim steigt. Die Folge: Die Ausgaben der Kommunen wachsen, Heimträger geraten unter Druck, das Geld fließt nur verzögert.

Seit Jahren klagen Bewohner und Angehörige über steigende Eigenanteile in Pflegeheimen. Laut einer aktuellen Auswertung liegt dieser Betrag im ersten Jahr in Baden-Württemberg im Schnitt bei 3400 Euro pro Monat. Manche Heimbewohner mögen so hohe Zuzahlungen stemmen können. Immer häufiger aber sind Betroffene mit derartigen Summen völlig überfordert und müssen Sozialhilfe beantragen.

 

Deren Zahl hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. „Im Jahr 2024 waren es in Baden-Württemberg 30 438 Leistungsempfänger“, sagt Sima Arman-Beck, sie ist Pressesprecherin beim Kommunalverband für Jugend und Soziales (KVJS) im Land. Damit haben 34 Prozent aller Heimbewohner Hilfe zur Pflege erhalten. Der Anstieg ist beträchtlich: Im Jahr 2003 lag der Anteil noch bei 25,3 Prozent.

Ausgaben für die Pflege auf „Höchststand“

Das Wachstum von einem Viertel zu einem Drittel aller Heimbewohner bedeutet für die Kommunen – den Kostenträgern der Hilfe zur Pflege – einen erheblichen Mehraufwand. Die Ausgaben für die vollstationäre Pflege sind alleine im vergangenen Jahr in Baden-Württemberg von vorher 400,7 auf 440,2 Millionen Euro gestiegen. Das ist ein Plus von knapp 10 Prozent. Die Ausgaben für ambulante und teilstationäre Hilfe zur Pflege wuchs noch stärker: um 13,4 Prozent von 101,9 auf 115,6 Millionen Euro.

Mit den Ausgaben 2024 von insgesamt 555,8 Millionen Euro sei ein „neuer Höchststand“ erreicht, erklärt Sima Arman-Beck. „Die anhaltende Kostensteigerung in der Pflege stellt Bewohner und Sozialhilfeträger vor große finanzielle Herausforderungen“, betont die Sprecherin des KVJS. Ohne Reformen durch den Bund sei „eine weitere Dynamik absehbar“.

Diese Entwicklung belastet nicht nur Heimbewohner und Kommunen , auch die Pflegeheimträger. „Gesetzliche Vorgaben zum Personalschlüssel, tarifgebundene Gehälter, gestiegene Lebensmittel- und Energiekosten lassen den Eigenanteil immer weiter steigen“, stellt etwa Ingrid Hastedt fest. „Die hohe Quote der Sozialhilfeempfänger unter Heimbewohnern überrascht nicht“, sagt die Vorstandsvorsitzende des Wohlfahrtwerks für Baden-Württemberg, das 14 Heime im Land betreibt, vier davon in Stuttgart.

Das Problem dabei: „Pflegeeinrichtungen geraten zunehmend unter finanziellen Druck“, erklärt Ingrid Hastedt. Die langen Bearbeitungszeiten von Sozialhilfeanträgen führten dazu, dass Rechnungen oft monatelang unbezahlt blieben. Sozialämter bräuchten für die Vermögensprüfung der Betroffenen „in der Regel über ein halbes Jahr“, man gehe hier finanziell „extrem in Vorleistung“, sagt die Vorstandsvorsitzende.

Eine Umfrage des evangelischen und des katholischen Altenpflege-Verbandes ergab, dass inzwischen 43 Prozent der Heimbewohner Sozialhilfe beantragten und jedes dritte Pflegeheim mit mehr als 100 000 Euro in Vorleistung gehe. Insbesondere kleine Träger mit nur wenigen Heimen geraten dadurch schnell in Schieflage. „Die Außenstände belasten die Liquidität von Pflegeheimen“, betont Ingrid Hastedt.

Die Betroffenheiten sind sehr unterschiedlich. So war in Stuttgart der Anteil der Sozialhilfeempfänger in der stationären Pflege „in den vergangenen Jahren mit rund 30 Prozent stabil“, erklärt die Sozialverwaltung. Dennoch sind die Ausgaben der Stadt in diesem Bereich von rund 24,4 Millionen Euro im Jahr 2022 auf 29,6 Millionen Euro im Vorjahr gestiegen. Das ist ein Plus von 21 Prozent. Im städtischen Eigenbetrieb Leben und Wohnen (ELW), der achte Heim mit 780 Plätzen betreibt, liege der Anteil der Sozialhilfeempfänger aber nur bei etwa 25 Prozent, sagt Geschäftsführer Marc Bischoff. Dennoch kamen beim ELW mit seinen acht Häusern schon Außenstände von rund 240 000 Euro zusammen.

Der Prozess, bis Hilfe zur Pflege bezahlt wird, sei „recht komplex“, weiß Marc Bischoff. So werden nicht nur die Vermögensverhältnisse des Heimbewohners, sondern auch die seiner Angehörigen durchleuchtet. Das Wohlfahrtswerk fordert „Entbürokratisierung und Digitalisierung in den zuständigen Sozialämtern“. Als Zwischenlösung sollten an die Heime für die Sozialhilfeempfänger sogenannte Abschlagszahlungen ergehen. Ingrid Hastedt hält eine „Verzahnung von Pflegeversicherungsrecht und Sozialhilferecht“ für unerlässlich.

Marc Bischoff hat den Eindruck, dass durch die weiter wachsenden Eigenanteile an den Pflegekosten die alten Menschen „noch später und in einem noch schlechteren Zustand als früher“ ins Heim kommen. Das macht die Detektivarbeit der Vermögensprüfung noch schwieriger. Ingrid Hastedt plädiert für eine bessere Aufklärung der Betroffenen darüber, welche Vorgaben es bei Vermögenprüfungen gibt.