Lidl und seine Schwester Kaufland sind die beiden Lebensmittelketten unter dem Dach der Schwarz-Gruppe in Neckarsulm. Foto: dpa

Wegen interner Unstimmigkeiten wird Sven Seidel durch das Eigengewächs Jesper Hojer ausgetauscht. Er übernimmt den Discounter, der vor der wichtigen Expansion in den US-Markt steht.

Stuttgart - Vielleicht waren die Ideen von Sven Seidel dem mächtigen Konzernchef Klaus Gehrig einfach zu progressiv: Das US-Expansionsprojekt bringe ein „Start-up-Feeling“ ins gesamte Unternehmen, erklärte Seidel, der seit 2014 an der Spitze von Deutschlands drittgrößter Lebensmittelkette Lidl stand, vor gut einem Jahr in einem Interview. Mit dem für 2018 geplanten Einstieg in den US-Markt betritt Lidl erstmals Boden außerhalb Europas. Den Start wird Seidel nun nicht mehr in verantwortlicher Position beim Discounter erleben. Wie die Schwarz-Gruppe am Dienstag in einer knappen Mitteilung bekanntgab, verlässt der 43-jährige Manager das Unternehmen mit sofortiger Wirkung.

Seidels Position übernimmt der fünf Jahre jüngere Jesper Hojer. Dieser war zuletzt als Vorstand Einkauf International für die Warenbeschaffung und das Marketing der Lidl-Auslandsgesellschaften verantwortlich. Hojer, ein Eigengewächs des Unternehmens aus Neckarsulm, ist seit zehn Jahren im Konzern und war in dieser Zeit unter anderem Geschäftsleitungsvorsitzender von Lidl in Belgien.

Seidel hat sich mit Konzernchef Gehrig überworfen

Der Grund für den Wechsel seien „unterschiedliche strategische Geschäftsauffassungen“ gewesen, heißt es in der Mitteilung. Dabei soll es unter anderem darum gegangen sein, dass Konzernchef Gehrig (68) nicht von den jüngsten Sponsoring-Aktivitäten des Unternehmens im Handball überzeugt gewesen sein soll, berichtete die „Heilbronner Stimme“. Lidl ist seit gut einem Jahr Partner des Deutschen Handballbundes (DHB) und seit der laufenden Saison auch Hauptsponsor des Damen-Bundesligisten Neckarsulmer Sport-Union. Seidel habe mit diesen öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten versucht, das Image des Lebensmittelhändlers zu verbessern. Nicht nur die Umsätze, sondern auch die Beliebtheit des Discounters sind unter seiner Führung gestiegen.

Unstimmigkeiten könnte es auch beim Thema Online-Vertrieb von frischen Lebensmitteln gegeben haben. So wurde der Start des Services Lidl-Express zuletzt mehrfach verschoben. Gehrig könnte hierbei gebremst haben, immerhin gilt er als Vertreter der klassischen Discount-Lehre.

Die „Heilbronner Stimme“ berichtet weiter über eine Umstrukturierung auf höchster Konzernebene. Die Schwarz-Gruppe, zu der neben Lidl auch die Supermarktkette Kaufland gehört, soll künftig von einem fünfköpfigen Führungsgremium gesteuert werden, dem neben Hojer (Lidl) und Konzernchef Gehrig auch Kaufland-Chef Patrick Kaudewitz sowie Andreas Strähle (Finanzen, Controlling, Personal) und Gerd Chrzanowski (IT, Produktion, Immobilien) angehören.

In Deutschland arbeiten 75 000 Mitarbeiter in 3200 Filialen

Bei der Schwarz-Gruppe in Neckarsulm gibt es außer der Mitteilung keine weiteren Auskünfte zum überraschenden Personalwechsel. Die Zahlen sprechen jedenfalls nicht gegen Seidel: Im Geschäftsjahr 2015/16 konnte der Discounter seinen Umsatz um 9,5 Prozent auf 64,6 Milliarden Euro steigern. Für das noch bis Ende Februar laufende Geschäftsjahr 2016/17 erwartet Konzernchef Gehrig früheren Angaben zufolge einen Umsatzanstieg auf mehr als 70 Milliarden Euro. Das Unternehmen betreibt allein in Deutschland etwa 3200 Filialen mit rund 75 000 Mitarbeitern.

Der Discounter befindet sich auf Expansionskurz. Neben dem viel beachteten Einstieg in den US-Markt, wo Lidl auf den deutschen Konkurrenten Aldi treffen wird, investiert das Unternehmen auch kräftig in Europa. So werden mehrere Milliarden Euro in die Modernisierung des bestehenden Filialnetzes gesteckt.