Reinhard Konyen steht an diesem Samstag zum letzten Mal bei einem Konzert am Pult der Stadtkapelle Gerlingen. Foto: factum/Granville

Als junger Mann hat Reinhard Konyen als Dirigent und Musiklehrer in Gerlingen angefangen. Mit 62 hört er jetzt am Pult der Stadtkapelle auf. Sein Abschiedskonzert leitet er selbst.

Gerlingen - E s waren 35 Jahre. Mehr als sein halbes bisheriges Leben hat Reinhard Konyen dem Musizieren in seiner Wahlheimat unter der Schillerhöhe gewidmet. Er hat Kinder und Jugendliche zur Musik gebracht und den Musikverein Stadtkapelle zu nicht gekannten musikalischen Ufern geführt. Zum Abschied gibt es ein großes Konzert an diesem Samstag in der Stadthalle. Dazu kommen auch 120 Gäste aus Gerlingens französischer Partnerstadt Vesoul. Der 62-Jährige steht selbst am Pult. Und er sagt, abseits des Trubels: „Das Schöne ist nicht von ewiger Dauer. Man muss loslassen können.“

Raum 4 ist fast sein Wohnzimmer. In der Jugendmusikschule auf dem Breitwiesengelände hat Reinhard Konyen seinen Unterrichtsraum. Dort hat er seit 1983 Hunderten von Kindern und Jugendlichen beigebracht, wie man einer Trompete oder einem Horn gute Töne entlockt. Musiklehrer wird er noch drei Jahre lang bleiben. Die Aufgabe als Chefdirigent im Musikverein aber gibt der Stadtmusikdirektor ab.

Die Stadtkapelle repräsentiert die Stadt

Stadtmusikdirektor – diesen Titel hat Reinhard Konyen von der Stadt Gerlingen verliehen bekommen. Denn die Stadtkapelle ist nicht irgendein Blasmusikensemble, sie vertritt die Stadt immer wieder bei offiziellen Anlässen – zum Beispiel beim Neujahrsempfang oder in den Partnerstädten Tata (Ungarn), Seaham (England) oder Vesoul (Frankreich). „Die Musik ist eine internationale Sprache“, sagt Konyen. Deshalb freut er sich umso mehr, dass sich für dieses Wochenende eine Delegation aus Vesoul angesagt hat – auch zum Spielen.

Blick zurück. 1982 ist Reinhard Konyen, Jahrgang 1953, noch keine 30 Jahre alt. Er stammt aus Schäßburg in Siebenbürgen in Rumänien, hat in Bukarest Musik studiert und war anschließend im Philharmonischen Orchester der Stadt sechs Jahre lang als Trompeter engagiert. Seine Familie hat schon längst die Ausreise aus dem totalitär regierten Land beantragt, wird aber seit 20 Jahren hingehalten. Da beschließt Reinhard Konyen, „sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen“, wie er heute sagt. Er landet auf verschlungenen Wegen in Gerlingen – und heiratet kurz danach seine Frau, eine Banater Schwäbin, „aus dem Land heraus“. Konyen wird vom Gerlinger Musikverein engagiert, 1982 dirigiert er sein erstes Weihnachtskonzert der Stadtkapelle. Im Jahr danach bekommt er zudem eine Stelle als Lehrer für Trompete und Horn an der Jugendmusikschule.

Am Pult fühlt er sich am wohlsten

Einen „sehr bescheidenen Klangkörper“ habe er 1982 übernommen, resümiert der Mann, der sich „am Dirigentenpult am wohlsten und stärksten fühlt“. Er regte damals an, Jugendlichen eine musikalische Ausbildung anzubieten. Seine Idee kommt an. In den Jahrzehnten danach erringt der Nachwuchs aus Gerlingen viele Preise bei „Jugend musiziert“, bis zur Bundesebene. Die Stadtkapelle erreicht ein ungeahntes Niveau. Heute sind noch vier Musiker dabei, die bei Konyens Einstand mitgespielt haben: Harald Höschele, Werner Fischer, Peter Gerl und Manfred Huber. Was ihm spontan zum Dirigenten einfällt? Höschele: „Sehr gut. Schade, dass er aufhört.“

Und der Mann mit dem warmen Lächeln sagt zu seinem Abschied: „Es gibt den Moment, in dem man seinen Platz freimachen muss, um neue Dynamik zu ermöglichen. Jetzt muss neuer Wind rein.“