Benedikt Paulowitsch, Stefan Altenberger und Thomas Hornauer (von links)bei der Kandidatenvorstellung in Kernen Foto: /Gottfried Stoppel

Ende September wurde Stefan Altenberger nach 16 Jahren als Bürgermeister abgewählt. Im Rathaus sitzt seit November Benedikt Paulowitsch, der in einem kurzen Wahlkampf mit dem Versprechen des „Zuhören-Wollens“ punktet.

Wahl - Es ist ein ziemlicher Paukenschlag gewesen, das Ergebnis der Bürgermeisterwahl in Kernen Ende September des vergangenen Jahres. Mit lediglich 43,5 Prozent der Stimmen haben die Wähler in Kernen Stefan Altenberger (55, parteilos) nach 16 Jahren als Rathauschef den Laufpass gegeben. Mit 55 Prozent der Wählerstimmen hievten sie den bislang rundum völlig unbekannten 31-jährigen Regierungsrat Benedikt Paulowitsch ins höchste Amt der Kommune. Der mit einem SPD-Parteibuch ausgestattete seitherige Regierungsrat im baden-württembergische Innenministerium hatte seinen Hut gerade mal drei Tage vor Ende der Bewerbungsfrist in den Ring geworfen.

Nicht Macher sind gefragt, sondern Moderatoren

Die Abwahl des Mannes, der in seinen beiden Amtszeiten in Kernen eigentlich recht beachtliche Erfolge vorzuweisen hat, folgt einem Trend, der weniger die Macher ins höchste kommunale Amt spült, denn die Moderatoren. Die „Alle-Bürger-Mitnehmer“ sind demnach deutlich gefragter als die erfolgreichen Problemlöser und Projektverwirklicher. Ein Umstand, auf den wiederum der kurze, wohlorganisierte Wahlkampf des Herausforderers perfekt abgestimmt war. Als Kampagne, in der sich durchgehend das Angebot des „Zuhören-Wollens“ wiederholte. An Altenberger wiederum – so die wohl entscheidende Rollenverteilung beim Kernener Wahldrama – wurde moniert, dass er eben kein Leute-Versteher sei, nicht nah genug am Bürger agiere, manchmal gar fast arrogant wirke.

In der Region stand Altenberger mit seiner Wahlniederlage im vergangenen Jahr in einer ganzen Reihe abgesägter Rathauschefs. Ebenfalls nach 16 Jahren haben die Ludwigsburger ihren Oberbürgermeister Werner Spec (61) in die Wüste geschickt, und zum Jahresende musste nach zwei Amtsperioden Angelika Matt-Heidecker als Oberbürgermeisterin in Kirchheim/Teck unfreiwillig abtreten. In Böblingen ist Wolfgang Lützner (CDU) von den Wählern schon eine zweite Amtszeit verwehrt worden.

Erster großer Auftritt beim Neujahrsempfang

Am vergangenen Sonntag hatte wiederum in Kernen Altenbergers Nachfolger Benedikt Paulowitsch seinen ersten richtig großen Auftritt. Rund 550 Besucher kamen zum Neujahrsempfang, knapp eine halbe Stunde dauerte seine Rede. „Da habe ich mir vorher viele Gedanken gemacht“, sagt der Bürgermeister, und um keine Fehler zu machen, hat er abgelesen. „Die Anspannung war größer als am Wahltag.“ Mitte November übernahm Paulowitsch das Büro im Rathaus im Ortsteil Rommelshausen. „Es ist genau so, wie ich es mir vorgestellt habe“, sagt er nach den ersten Wochen. Themen anstoßen, moderieren, die Termindichte, all das kenne er.

Woran sich Benedikt Paulowitsch noch gewöhnen muss, ist der Fokus auf ihn. Ob beim Einkauf im Ort oder bei einer Veranstaltung: „Wenn ich irgendwohin komme, gehen die Köpfe hoch, und es wird getuschelt.“ Daher sei es ganz gut, noch nicht in Kernen zu wohnen. „So kann ich mich schleichend daran gewöhnen.“ Auch die Arbeitszeiten sind oft länger als bisher. „Aber ich merke seit dem ersten Tag, das macht mir Spaß.“ Darauf habe er auch hingearbeitet. „Bei allen beruflichen Stationen zuvor war immer das Ziel klar, Bürgermeister zu werden.“ Oft haben Aufgaben und Dienstorte gewechselt, nun ist er für acht Jahre gewählt. „Die langfristige Perspektive, auch örtlich, ist gut, auch mit Blick auf die Familienplanung.“

Kurz war hingegen die Zeit des Wahlkampfs. An einem Samstagabend fiel die Entscheidung für die Kandidatur in Kernen, am Freitag darauf waren Plakate, Briefe an Vereine, Homepage und Facebook-Auftritt fertig. „Das war nüchtern kalkuliert“, sagt Paulowitsch, „länger als vier Wochen hätte ich mangels Urlaub gar keinen Wahlkampf machen können.“ Der Überraschungsangriff war gut vorbereitet – „das Drehbuch hat aber besser funktioniert als gedacht“. In diesem Jahr will es Paulowitsch ein wenig ruhiger angehen lassen. Nicht nur wegen der Remstal-Gartenschau hätten sich in der Verwaltung Tausende Überstunden angesammelt. „Wir werden im Haus die Abläufe anschauen und sehen, wie wir uns gut für die Zukunft aufstellen.“ Aber auch wenn der neue Bürgermeister etwas Tempo rausnehmen wird: „Ich sammle Ideen, ich will hier etwas bewegen.“

Sein Vorgänger Stefan Altenberger hat derweil schon die nächste Wahlniederlage zu verdauen. Beim Versuch, Beigeordneter in Radolfzell zu werden, ist er knapp an der Amtsinhaberin gescheitert.